Gedichte



Herbstgedanken

Ich kann und mag nicht mehr alles wissen,

was hätte sein können oder was gewesen ist,

ich werde von alledem das wenigste missen,

denn ich bin anerkanntermaßen ein Larmoyist.


Ich bin taub geworden gegen alle Bitten,

zu biegen und zu brechen mein Leben,

habe wegen nichts und wieder nichts gelitten,

würde gern dir mich und dich mir wiedergeben.


Ich bin taub geworden gegen mich und dich,

mich zu biegen und zu brechen um jedes Wort,

so etwas wie du aus meiner Seele schlich,

was war es dann, wenn nicht Mord?


Ich habe zugleich gelacht und geweint,

mein Empfinden ging mit dir über Bord,

doch warst nicht nur du damit gemeint,

und war es nicht sogar zweifacher Mord?


Mit der Zeit bin ich nicht mehr mit der Zeit gegangen,

was könnt' es schon geben das mich noch hier hält,

habe genug an nutzlosen Gedanken gehangen,

jetzt habe ich alles wieder: mich, dich - und mein Geld!


Hund und Frau

Ein Mann hing unverbrüchlich an seinem Hund,

doch irgendwann wurde es seiner Frau zu bunt,

sie sagte: Du musst dich zwischen uns entscheiden,

wen du lieber hast von uns beiden.

Der Mann hing gewaltig an seinem Rüden,

aber auch an seiner Frau, der nimmermüden,

er wollte schon eine Münze werfen,

damit ging er aber der Frau auf die Nerven,

im Geiste begann der Mann beide zu vergleichen,

wer von beiden sollte dem anderen weichen?

Der Hund hatte ein ganz samtenes Fell,

sie hatte biegsame Beine – seine Nell,

und seit Geburt eine zierliche Nase,

der alte Rüde eine schwache Blase,

doch in seinen Augen lag ein heller Glanz,

ein verflixter Pfundskerl war er – sein Franz.

Sie war von unerschrockenem Gemüt,

er war von erlauchtem Geblüt,

was für einen mächtigen Fang sie doch besaß,

der Rüde in der Taille fünfundsechzig maß.

Und singen konnte der Franz wie eine Nachtigall,

und Nell apportieren Stöckchen und Ball,

gehorchte auf "Sitz", "Platz" und "Bleib",

was ist doch der Franz für ein scharfes Weib!

Der Mann fuhr mit ihnen fort, gerade mal eben,

und nahm Nell, Franz und sich das Leben.


Selbstmitleid

Fröstelnd und schwitzend, an einem Ufer sitzend, saß ich auf einem Stein,

sah den grauen verwaschenen Schnee, den grauen verwaschenen Himmel,

war gewiss das traurigste Seelchen auf Erden und mutterseelenallein,

auf den Dächern der Häuser lag etwas, das aussah wie grauer Schimmel.


Auch die Vögel, es waren ihrer viele, schienen über irgendetwas zu brüten,

wehlächelnd erkannte ich Kinder auf Schlitten und Spaziergänger mit Hunden,

zwei Saufbrüder, die sich umarmten, bei sich hatten sie Weihnachtstüten,

Menschen! Verbrauchen sich. Menschen! Sind nur in ihren letzten Stunden.


Die Mutter ist tot und lächelt wie eh und je über meine ständige Unkerei,

ich fühle, dass ich nichts fühlen werde, selbst wenn es etwas zu fühlen gäbe,

dass zu fühlen ist,

aber vielleicht morgen oder überübermorgen schon, da bin ich wieder frei,

und wenn ich so meditiere, ist das ganze Sinnieren ein ganz schöner Mist.


Wolken

Wie herrlich sie da oben anzuschauen sind,

nicht eine einzige möchte ich niemals missen,

gleichen sie eben aufgehängten Daunenkissen,

stehe und staune beglückt wie ein großes Kind.


Schmeicheln mir inmitten ihrer blauen Wiese,

weiße Gebilde, weißer als der reinste Schnee,

die wie Schiffchen dahinsegeln auf hoher See,

zeig' mir den, der sie nicht als Begleiter erkiese.


Droben am Himmel sie alle ihre Heimstatt haben,

und nur selten ist ihnen vergönnt eine kurze Ruh',

stelle mir vor, ich stünde mit ihnen auf Du und Du,

sind die Wolken mein süßer Trost an allen Tagen.


Der Storch

Bei ihrem Anblick geriet er jedes Mal aus der Bahn,

die Störchin schräg gegenüber hatte es ihm angetan,

gestern an einer Pfütze er die Angebetete erspähte,

und nicht ein einziger Hahn nach der Schönen krähte.

Eine alsbaldige Vermählung setzte er sich zum Ziele,

und dass er ihr mehr und sie ihm nicht weniger gefiele,

sah sich als Oberhaupt von vierzehn Storchenkindern,

ganz nebenbei tat die Elster sie um die Hälfte mindern,

auf dem Silbertablett gedachte er sich ihr darzubringen,

und sie jeden Abend pünktlich in den Schlaf zu singen.

Ist' s des Guten zu viel, nimmt man eine Scheibe weg,

sagte sich der Storch, sonst wird die Alte mir zu keck,

er machte sich klammheimlich auf leisen Sohlen rar,

entkam so der schönen Störchin, die eine Taube war.


Wirrwarr

Frau S. zu Frau A: Über Nacht ganz pelzig geworden sein Steißbein,

der Fleischer erfuhr es zuallererst: Verdorben soll sein mein Eisbein!

Er zu Frau A: Wahrlich, die Frau S. hat eine Liaison mit der Frau Z.,

Frau A. zu Herrn P.: Der O. schwört, Z.' s Frau war mit Frau S. im Bett,

Frau Z. zu Frau E.: Man erzählt, dass ich Verkehr habe mit einer Frau,

Frau E. zu Herrn F.: Igittigitt, jetzt treibt die es schon mit einer Sau,

Herr F. zu Frau F.: Gott sei Dank, dass du bist in diesen Dingen normal,

Frau F. zu Frau Q.: Nun ist's endgültig raus, denn er ließ mir keine Wahl,

Frau Q. zu Frau W.: Da können Sie gewiss sein, das war nicht das erste Mal,

Frau W. zu Herrn D.: Es ist amtlich bestätigt, dass F. und O. sich lieben,

wären sie bloß, S., A., Z., P., O., E., F., Q., W. und D., zu Hause geblieben!

Es heißt, S. und Z. hätten sich nacheinander und ohne Abschied erhängt,

F. und O. sich, ersterer in der Klärgrube, letzterer im Aquarium, ertränkt,

Frau A. sich mit dem Zwilling von Herrn P. bei Frau Q. im Garten erschossen,

ein Gericht Frau F. ordnungshalber auf dem Instanzenweg weggeschlossen,

Frau E. und Herr S., Frau W. und Herr D., seien nach Unbekannt verzogen,

Herr Z. mit all seiner Habe zu einer Dame nach Bangkok geflogen.


Verlassenheit

Was ist aus dir nur geworden, hörte ich mich flüstern,

sah mich gramgebeugt durch Nebelschwaden waten,

starrte auf tanzende Irrlichter mit bebenden Nüstern,

schwenkte in verschwiegenes Gelände, war verraten!


Wie blechern sich meine Stimme anhört, wenn ich

den Mund aufmache,

was mag so auf meiner Stirn geschrieben stehen,

sonderbar seltsam, wenn ich neben mir aufwache,

feststelle, dass wenigstens noch die Winde gehen.


Hangen wie Bangen, dass nicht aller Tage Abend ist,

aber des Menschen Eigensinn ist sein Himmelreich,

was wird aus dir werden, wenn du nicht mehr bist,

vor dir, du sture Einsamkeit, ich die Segel streich'.


Berührung

Irgendwie fühlte er sich damals unangenehm berührt,

irgendwann hat es ihn, mehr als ihm lieb war, gerührt,

als ihn einfach so ein Mensch umarmte.

Dass ihn jemand davor so berührte, lag x Jahre zurück,

Er sagte sich: Ist mickrig geworden dergleichen Glück,

ihn nie wieder ein Mensch so umarmte.


Heimtücke

Die Mutter leise flüstert: bitte beeile dich mit dem Beile,

da kommt die Tochter mit dem Beile nach einer Weile,

mit Muße schlägt sie auf ihn ein, dass es nur so spritzt,

die Mutter das Messer hebt und mehrere Male tief ritzt,

kommen danach Säge und Brecheisen auf ihre Kosten,

derweil die andere Tochter bleibt still auf ihrem Posten,

nach einer guten Stunde ist er dann hinlänglich zerteilt,

auch der Sohn, herbeizitiert, länger als üblich verweilt,

die Uhr zeigt auf genau fünf Minuten nach Mitternacht,

dann endlich ist das Werk, das gemeinsame, vollbracht,

der ganze Kabeljau ist nun zur Gänze vom Eise befreit,

jetzt kommt sie wieder hervorgekrochen, die Heiterkeit.


Die Mohrrübe

Wie neulich Herr R. die Frau K. um eine Mohrrübe für seine Suppe bat,

hielt Frau K. nicht nur die Mohrrübe, sondern auch noch einen Rat parat,

dass nicht nur die Hausgemeinschaft sich hätte gegen ihn verschworen,

ihn auch zum einzig alleinigen Übeltäter, warum wisse sie nicht, erkoren.

Halb sank er hin, halb zog sie ihn, bis er passte durch ihre offene Türe,

damit die Nachbarschaft und die Polizei von alledem nur nichts erführe,

denn sie könne nicht glauben, dass er glaube, dass alle ihm nicht glauben,

wenn er schon nicht an sich selbst glaube, was solle sie denn erst glauben.

Er nicht umhinkommen werde, es hinzunehmen und alles auf sich zu nehmen,

wenn er mit der Zeit ginge, sich mit der Zeit alles von selbst würde geben,

Herr R. sich auf Morcheln besann und Frau K. tat, als wäre nichts gewesen,

die Mohrrübe bekamen Frau K.' s Pekinesen, es gab ja noch den Chinesen.


Herr A.

Herr A. war schüchtern und Bastelarbeiten waren sein Lebenskern,

er bastelte am liebsten allein in seiner Gegenwart – und lebensfern,

Schräubchen, Stifte, Zwecken Herr A. bei ihrem Kosenamen nannte,

sogar mit Augenbinde er jedes am Geruch und Geschmack erkannte.

Hielt Schrauben, Nägel und Stifte in Gläsern, Gefäßen und in Dosen,

mit ihm war nicht zu spaßen, wenn es sich drehte um seine Pretiosen,

Herr A. sich einmal an der Frau Lieberknecht versuchte mit Zweck,

da sie eine Schraube lose hatte, legte er die Dame gleich wieder weg.

Es nie vorkam, dass auch nur ein einziges Kästchen stand lange leer,

besser im Fach eine Schraube als auf dem Dach eine Taube, sagte er,

vor allem waren Haken und Ösen Herrn A.' s bevorzugtes Brevier,

was dem einen sein Magenkatarrh ist, ist dem anderen sein Klistier.

Einer Feuersbrunst zum Opfer fiel auch noch die letzte Schraube,

dahingegangen für immer waren Gewinde, Bolzen und Gaube,

dahingegangen für immer auch der Herr A. und seine Gebeine,

mit Feile und Zwingen ist' s gutes Gelingen, steht auf dem Steine.


Abgang

Als er bei sich sah, wie schlecht es um ihn stand,

und das Sterben sich nicht aufschieben ließ,

er für sich und die anderen keine Worte fand,

der Wind bereits den Tod durch die Ritzen blies.


Wann würde er wohl den Arsch zukneifen,

er starrte in seine Seele und fand nur Leere,

dem Sterben würde er schon was pfeifen,

wenn der Tod nicht käme ihm in die Quere.


Wäre doch bloß hier bei mir irgendjemand,

eine dolle Lügengeschichte will ich hören,

scheißegal, ob ich diesen Jemand gekannt,

er muss mir nur diesen Kappes beschwören.


Aber auch das Sterben geht einmal vorüber,

vor dem letzten Abgang ließ man ihn allein,

verlor die Partie, denn der Tod steht darüber,

Was? Letztes Jahr schon? Das arme Schwein.


Heiligabend

An Heiligabend an zwei Eichen zwei Leichen hingen,

aus der Ferne hörte man zwei Glocken leise klingen,

Abendrot die festlich gewandeten Leichen beglänzte,

was für 'ne schöne Bescherung, eine Eiche ergänzte.


Dressur

Nicht allein die Liebe hatte Hagen und Tilly aneinander gebunden,

sondern der Pegel, welcher immer mit einem Geräusch verbunden.

Das Pärchen hauste in einer Zweizimmerwohnung unter dem Dach,

und stets zur Tagesschau durchzuckte das Haus ein gehöriger Krach.

Es ächzte, stöhnte, quietschte und raunte, bis sich die Balken bogen,

und die Nachbarn sich zuflüsterten: Wären die nur schon ausgezogen.

Es fielen Wörter wie abmurksen, umtauschen, Blechziege und Stecker,

selbst unten die Katze hatte schon taube Ohren von dem Gemecker.

Der Vermieter erwog eine Scheidung im Interesse der Allgemeinheit,

doch Hagen empfand dieses als eine zum Himmel stinkende Frechheit.

War Tilly doch nur ein humanoider Roboter, und dazu noch eine Sie,

dem öfters die Sicherung durchbrannte, weshalb, das wusste Hagen nie.


Die zwei Liebenden

Eng umschlungen lagen sie im Schlafzimmer im Bett,

sie keuchten, schwitzten, girrten und turtelten im Duett.

Er umschmeichelte ihre Vagina und walkte ihre Brüste,

sie seinen Penis streichelte und ihn auf den Mund küsste.

 Er nun aufgetaut flüsterte ihr eine Cochonnerie ins Ohr,

lachten gemeinsam über den nicht zugezogenen Store,

putschten sich gegenseitig auf mit neckischem Geplänkel.

Da nun spreizte sie geradezu unverblümt ihre Schenkel,

und mit dem, was er tat, war er zufrieden und sie gestillt.

Die Exerzitien zu wiederholen waren beide fest gewillt,

denn nix geht verschütt, auch nicht nach vielen Jahren,

sagten sich die Liebenden, die schon fast achtzig waren.


Das Haar

Seit jeher war Friedhelm ein auf Sauberkeit bedachter Mensch gewesen,

seine Leidenschaft waren Flüssigseifen, Reiniger, Handfeger und Besen,

und selbst nachts, hemdsärmelig, mit Scheuklappen und Scheuerlappen,

sah Frau O. durch ihr Prismenglas Friedhelm durch die Wohnung tappen.

Einmal aber, als Friedhelm auf dem Parkett kniete und sich niederbeugte,

da mit gesträubtem Nackenhaar und gefurchter Stirn den Boden beäugte,

stieß er auf zwei rötlich schimmernde Fädchen, welche biegsam und fein,

Friedhelm wurde blass und sagte sich: Die können von einer Frau nur sein.

Von jetzt an war es um Friedhelms und Frau O.' s Schlaf schlecht bestellt,

er träumte von Brotsuppe und Haft, sie von Moneten und der weiten Welt,

was er so dachte, was sie so dachte, dachte er auf seine, sie auf ihre Art,

doch am Ende wurden beide, sowohl Friedhelm als auch Frau O., genarrt,

ein tödliches Gift beschloss die Lebensfrage, als beide Leichen aufgebahrt.


Marotten

Meine Marotte,

sagte Ida - Lotte

zu Eva - Lotte,

ist die Karotte,

die Schalotte

die Marotte

von der Ilse - Lotte,

nur Else - Lotte

und Inge - Lotte,

die kamen nicht zu Potte.


Ex und hopp

Bevor der Mensch aufhörte ein Mensch zu sein,

schwor er beim Leben der Enkel Stein auf Bein,

nie zum Henker der Erde zu werden.

Auch darauf hat der Homo sapiens geschissen,

betäubte mit Aktien sein herrenloses Gewissen,

Lügner wie im Himmel so auf Erden.


Menschen wickelten die Erde in ein Leichentuch,

schrieben ihren Todestag in ein weißes Tagebuch,

doch nur die Menschen weinten nicht.


Baum

B

AU

MBA

UMBAU

MBAUMB

AUMBAUMB

AUMBAUM

BAUMSTERBEN

B

A

U

M

Auflösung

Wenn ich nicht ich bin,

und ich nicht du,

und du nicht ich sein kannst,

doch wenn du nicht du bist,

sondern irgendjemand,

wer bist dann du, und wer bin ich?

Das Ahornblatt

Ein Ahornblatt fiel von selbst von einem Ahornbaum,

hat nunmehr ein Ahornblatt weniger der Ahornbaum,

Herr Ahorn sich bübisch nach dem Ahornblatt bückt,

das Ahornblatt Herrn Ahorn und den Hund entzückt,

Ich liebe dich - steht auf dem Ahornblatt geschrieben,

darob Herr Ahorn und Hund sich in die Haare kriegen,

ob der liebreizende Vers an ihn oder ihn ergangen sei,

es kommt zum unvermeidlich letzten Gefecht - auwei!

Bald liegen sie beide mausetot unter dem Ahornbaum,

morgen hat er wieder ein Blatt weniger der Ahornbaum,

denn auf allen Ahornblättern ist Ich liebe dich zu lesen,

nur der Ahornbaum hat ihn gesehen der es gewesen.


Demetrius Pfeifer-Fröhlich

Demetrius Pfeifer-Fröhlich war Alleinerbe und Egomane,

den Tag verbrachte er im Schlafanzug auf der Ottomane,

er dachte an Sophia, die mit seinen Moneten stiften ging,

und an die zierliche Alina, die ihm durch die Lappen ging,

die schaurig - schöne Valentina, der er auf den Leim ging,

war da noch die Elena, die auf einer Butterfahrt flöten ging.


Nägel mit Köpfen wollte Demetrius Pfeifer-Fröhlich machen,

all diesen Einfaltspinseln würde noch vergehen das Lachen,

der lange Jens Hendrik hatte ihm neulich Avancen gemacht,

und auch der hiesige Pfarrer stand unter selbigem Verdacht,

man muss mit der Zeit gehen, will man nicht stehen hintenan,

sagte Demetrius Pfeifer-Fröhlich, und zündete die Pfeife an.


Der Hammel

W. bewegte der Gedanke, mit Frida, der scharfen,

bei den Schafen unter freiem Himmel zu schlafen,

im lichten Dickicht gedachte er sie zu vernaschen,

splitternackt und lavendelgetränkt zu überraschen.

Indes zog es Frida hin zu dem strammen Hammel,

ihr Interesse galt den Keulen und dem Gebammel,

W. dagegen war geknickt, und beileibe nicht nur er,

ein Neidhammel er, sagte Frida nach dem Verkehr.


Herr Ohnesorg

Herr Ohnesorg war stinkreich und sein Hobby war das Schwadronieren,

von den Zinsen im letzten Jahr spendierte er sich ein Paar neue Nieren.

Dieses Jahr kamen Herz, Lunge, und eine frische Leber preiswert dazu,

jetzt galoppiert Herr Ohnesorg wieder wie ein junges verschmitztes Gnu.

Vier Landstreicher wurden eigens für ihn eingefangen und ausgeweidet,

seitdem Herr Ohnesorg aus Zartgefühl nicht nur die Seychellen meidet.

Das Schicksal war ihm freundlich gesinnt, als ihn ein ICE-Zug überrollte,

das wurmte die Tochter, die O. in toto an einen Araber verhökern wollte.


Einsamkeit

Ich bin einsam wie ich,

du bist einsam wie du,

habe es dir vorgemacht,

ohne einen Sinn zu leiden.

Und du lach' nur über mich,

das gestehe ich dir noch zu,

doch nimm dich davor in acht,

mir meine Einsamkeit zu neiden.


Die Linde und weiteres

Gar nicht unweit von einer jugendlichen morschen Linde,

im kurzen hohen Gras nahe an einem reißenden Rinnsal,

saß kniend eine junge Mutter mit ihrem nagelneuen Kinde,

sahen mit großen Augen auf einen vorbeiziehenden Wal.


Im lichten Dickicht da sonnten sich eine Handvoll Krähen,

und eine Schar buntgestreifter Ziegen spielte Blinde Kuh,

in der Windstille sah ich eine durchsichtige Fahne wehen,

schleppend verstrichen die Stunden und vergingen im Nu.


Ganz in der Nähe von weither ertönte lautlos ein Martinshorn,

derweil die Bauern auf ihren bestellen Feldern sitzenblieben,

ein Glatzkopf mit wallender Mähne und einem Veilchen vorn,

ließ Papierschiffchen zu Wasser die alle talaufwärts trieben.


Die alte Löwin

Im Schatten einer Akazie die alte Löwin lag,

ein Gerippe, welches jämmerlich anzusehen,

kam sie an diesen Ort, so wie fast jeden Tag,

würde der Sandsturm ihre Spuren verwehen.


Streifte ihr verlorener Blick die endlose Weite,

ein letztes Mal richtete sich die alte Löwin auf,

aufgeschlagen im Lebensbuch die letzte Seite,

nahm das Sterben unwiderruflich seinen Lauf.


Morgens fand ich die Löwin unter dem Baum,

wie im Schlaf auf die Brust gesenkt das Kinn,

ich hielt sie in den Armen und spürte es kaum,

geht mir der Anblick nicht mehr aus dem Sinn.


Alter

AchdudickesEi, rief bestürzt die Käthe,

als sie jetzt nicht nur ihre Beine mähte,

und ein Gelege Altersflecken erspähte,

erhängte sich frühmorgens – die Käthe.


Der Fleck

Frau Mück welche kam eben vom Einkaufen zurück,

in den Händen hielt sie ein Filet vom Zander im Stück,

als sie vor des Nachbars Türe entdeckte einen Fleck,

Frau Mück holte tief Luft - nur der Fleck ging nicht weg.

Tags darauf fand sie eine von den Treppenstufen lose,

zu Fall brachte Frau Mück indes eine Konservendose,

die achtlos weggeworfen ihre Essenszeit durchkreuzte,

wie der Herr, so´  s Gescherr, Frau Mück hörbar seufzte.


Ein Getöse, welches erklecklich, an ihre Ohren drang,

Frau Mück erst um Fassung und dann die Hände rang,

von den Ziegeln oben auf dem Dache fehlte jede Spur,

das stinkt gewaltig zum Himmel, es Frau Mück entfuhr.


Vor nichts und niemanden machten gewisse Leute halt,

selbst den Gockel oben auf dem First erwischte es kalt,

und über den Deister ging, was nicht niet- und nagelfest,

doch ein Vorfall ohnegleichen gab Frau Mück den Rest.


Wo einst das Haus stand, steht seit kurzem eine Ruine,

nur das Leben von Frau Mück verläuft in steter Routine,

und wenn sie in ihrem Stuhl sitzt, nunmehr ohne Zähne,

rieselt dann und wann aus ihrem Auge eine dicke Träne.


Der Teddybär

Herr Sch. hegte nicht den geringsten Verdacht,

hier und da hatte er gern die anderen verlacht,

und nicht der leiseste Zweifel sich in ihm regte,

dass er alles woandershin als sonst üblich legte.

Irgendwann er nichts mehr von dem wiederfand,

Sch. mit sich und der Welt auf Kriegsfuß stand,

der Nachbar habe es auf sein Geld abgesehen,

und dieser könne bequem durch Wände gehen.

Auch daran erinnerte sich Sch. bald nicht mehr,

geblieben war ihm nur ein hellbrauner Teddybär,

mit diesem Herr Sch. jetzt auf einer Stufe stand,

die Nichte das Ganze irgendwie erheiternd fand,

geübte Hände ihm den Teddybären entwanden,

gehorchten sie den Leuten, die darüberstanden.


Ein Held

Manchmal stelle ich mir vor, ich wäre ein Held,

und wie sich die Sache um meinetwillen verhält,

hätte ich ganz nebenbei die Taschen voller Geld,

müsste nie mehr hausen in einem kaputten Zelt,

ein Held - I C H, der alles in den Schatten stellt,

würde zu mir aufschauen die ganze weite Welt,

ich wache auf, weil mein Hund mal wieder bellt.


Missgeschick

Hallo!...Huhu!...Hm…Boing!...Mist…

Hey?...Ach…Ähm…Ah!...

Na?...Hi…Autsch!...Nanu?...Oh!...Scheiße

Tschüss...Tschüss


Engel und Geister

Frau K. einen Faible für das Esoterische besaß,

nicht weniger sich ihre Weltsicht danach bemaß,

für das Übersinnliche tat Frau K. sich begeistern,

parlierte sie mit Engeln und raunenden Geistern.


Vor allem das Feinstoffliche hatte es ihr angetan,

ihr letztes Erspartes an einen Schamanen vertan,

da bekam Frau K. von ganz oben her einen Wink,

dass das Schicksal aller am seidenen Faden hing.


Frau K. nahm daraufhin die Nachbarn ins Visier,

denn die Außerirdischen waren schon längst hier,

und solcherweise der Lebenswirklichkeit entrückt,

rief Frau K. »Ich bin die Auferstehung« beglückt.


So sahen die Leute sie auf dem Dachfirst stehen,

im grauen Kranich-Kostüm ihre Pirouetten drehen,

denn dort hinauf zu den Gestirnen zog sie es hin,

mit einem Paar Flügel, danach stand ihr der Sinn.


Doch landete Frau K. stattdessen nur im Flieder,

ganz unprätentiös im Mieder und ohne Gefieder,

erblickte sie dunkle Gestalten auf ihren Schlitten,

und Wesen mit roten Hüten, die auf Ziegen ritten.


Der öffentlichen Ordnung wegen zu guter Letzt,

kam Frau K. auf Staatskosten woandershin jetzt,

das Haus, in dem sie wohnt, elektrisch gesichert,

»Ist wegen der Geister«, wie der Arzt versichert.


Frau K. allabendlich mit fremden Mächten ringt,

der Nachtwache alles Blut in den Adern gerinnt,

denn ein Lichtschein der irgendwo in der Ferne,

nun lacht sie - kommt' s von der Straßenlaterne.


Ordnung

Einmal vom Zustand der Ordnung befreit,

da lebt es sich mit Verve und Leichtigkeit,

man wolle das machen zur Gepflogenheit,

das sorge nebenbei für Zukunftssicherheit,

und schaffe den Raum für Bequemlichkeit,

beim Schopfe packen jetzt die Gelegenheit,

man rechne mit einem günstigen Bescheid,

doch dafür war gerade nicht die Jahreszeit.


Sackgasse

Ich bin einsam,

ich bin nicht einsam,

ich bin einsam,

ich bin nicht...

Einsam ich bin,

einsam ich nicht bin,

einsam ich bin,

einsam ich nicht...

Bin einsam ich,

bin einsam ich nicht,

bin nicht ich einsam,

ich nicht...

Ein bin ich sam,

ich sam ein bin,

bin sam ein ich,

sam ich ein bin...


Am Ende

Sie saßen Abend für Abend bequem in ihren Logen,

und hatten ohne Anstrengung Tag für Tag gelogen,

über eine lange Zeit hatten sie viele Leute betrogen,

und dabei nicht ein einziges Mal eine Miene verzogen.

Doch irgendwann war die ganze Sache aufgeflogen,

hatten zuletzt in aller Öffentlichkeit Stellung bezogen,

denn das Staatsinteresse habe bei allem überwogen,

nur das Recht machte um sie einen großen Bogen.

Die Trappe und der Rappe

Neben der Kappe

eine Trappe

wegen Schlappe

als kam Rappe

große Klappe

aus Pappe Attrappe.

Da machten beide eine Flappe.


Das Frettchen

Als ich so döste auf einem Fleckchen,

träumte ich dort von einem Frettchen,

das schlotternd und mit leerem Magen,

so ging das schon seit einigen Tagen,

im finsteren Bau das Frettchen zuletzt,

saß das Frettchen für eine Weile fest,

doch irgendwann wurde es mir zu bunt,

zu vieles Nachdenken ist nicht gesund,

es heißt der Käse ist damit gegessen,

da könnte mich gleich jeder erpressen,

an meine Ohren drang lautes Gebell,

mein eigenes – das fand ich originell,

zu Besuch die Kusine aus Gütersloh,

ich sah hoch zur Uhr und war heilfroh,

mein Frettchen durchschaut zu haben,

denn ich mache meine Hausaufgaben,

es roch nach Thymian und Hühnerbein,

mit letzterem hatte ich ein Stelldichein,

ein Stündchen unter der Höhensonne,

und ich juchze und gluckse vor Wonne,

um vier war die Kusine entschwunden,

die Kusine übrigens ist frei erfunden,

und das Frettchen hat es nie gegeben,

da habe ich wohl falsch gelegen.


Spatzen

Zwei Spatzen tschilpten im schillrigen Schilf,

kümmerten sich einen feuchten Kehricht

um das törichte Röhricht.


Feindesland

Das Mädchen spielte am Straßenrand,

ein Eimerchen mit Henkel neben sich,

nicht weit winkten Narzissen herüber,

die zum Greifen nahe auf Feindesland,

das Mädchen auf leisen Sohlen schlich,

zwei Rabenkrähen glitten an ihr vorüber.


Für einen Strauß würde es schon reichen,

das Mädchen verharrte für eine Sekunde,

ließ eine weitere Sekunde verstreichen,

stand plötzlich da mit offenem Munde.


Die Kugel traf die Kleine mitten ins Herz,

die Narzissen hielt sie noch in ihrer Hand,

an jenem frühlingsmilden Tag im März,

das Mädchen, das niemand gekannt.


Ein Roman

Noch nie zuvor hatte jemand so eine Geschichte erfunden,

vergriffen daher die erste Auflage binnen weniger Stunden,

sein halbes Leben habe sich der Autor dafür geschunden,

und zum Glück aller sei dieser auch noch naturverbunden,

ein epochales Werk - so hatte es die Fachwelt empfunden,

des Tamtams wegen war das Genie bei Nacht entschwunden,

Herr P. plante seinen Horizont zu beleben und zu erkunden,

mit dem er sich in letzter Zeit im Kriegszustand befunden,

zählte Herr P. nun zu des Dichters handverlesenen Kunden,

eine Prise von jener Lektüre würde ihm ohne Frage munden,

aber außer Wörtern hat Herr P. nichts Bedeutendes gefunden,

sein Fazit: Auch mit Stippe kommt einer über die Runden.

Gedanken

Ungelegen mir nur der Gedanke,

säuselte von gegenüber die Anke,

die im Oberstübchen etwas schlicht,

bescheiden war folglich ihre Sicht.


Heute gibt´s nur Schwadronieren,

tun den ganzen Tag lamentieren,

Gedanken, sagte die Anke sich,

sind ohne Belang unterm Strich.


Mit dem Denken lag sie im Streit,

und ging mit dem Geist der Zeit,

Gedanken taugen nicht für jeden,

so wenig wie die Sonntagsreden.


Gedanken, welcher in weiter Ferne,

konkurrieren als wären sie Sterne,

dort ein Stern dem anderen gleicht,

wo ein einziger Gedanke reicht.


Das dachte von drüben die Anke,

demgemäß sie niemals schwankte,

Gedanken, die des Guten Zuviel,

haben zumeist ein leichtes Spiel.


Zwei Kuckucke

Hoch oben auf einem Ast hockten da zwei niedliche Kuckucke,

und die Kuckucke kuckten wie Kuckucke für gewöhnlich kucken.

Zum Kuckuck mit den Kuckucken, dachten die beiden Kuckucke,

und kuckten nicht anders als Kuckucke sonst zu kucken pflegen.


Die Reise

Als er in London ankam,

er nicht durchkam,

bei dem nichts herauskam,

ein Mann herunterkam,

er etwas abbekam,

er um das herumkam,

niemand davon etwas mitbekam,

er in London umkam.


Ein letzter Traum

Herrje, was winktest du mir zum Schein,

zauberisch und mit einem Augenlachen,

begriff nicht die Jahre, die vor mir lagen.

Sieh her, geschrieben auf diesem Stein,

komm und hol mir meine Siebensachen,

das eine bloße Leben wollte ich wagen.


Hab' mich an leeren Worten gerieben,

Worte, die sich ins Eingeweide fraßen,

nur die Leute es irgendwann vergaßen,

ist dieser Teil bei mir hängengeblieben.


Nach Liebesdingen ich heimlich gierte,

kam eins um andere Mal darauf zurück,

zuwider mir alles großschnäuzige Glück,

mit Lust ich mich darin vergaloppierte.


Hielten mich meine Träume am Leben,

solche Träume, die ich eigens ersann,

blieb gleich einer Motte daran kleben,

wortlos die eine Zeit dahinter zerrann.


Heimisch bin ich nirgends geworden,

wann endlich geht das verlorene Kind,

das jenen einsamen Stern umworben,

draußen die eine Welt kalt und blind.


Die eine unsere Zukunft mir dir teilen,

den einen Gedanken für immer heilen,

hab' nie in das Leben hineingefunden,

der Sonderling, als der ich überall galt,

ein kurioser Kauz in Menschengestalt,

wo bist du in meinen letzten Stunden?



Aphorismen usw.


Eigentlich ist alles eigentlich,

nur uneigentlich betrachtet,

ist nichts eigentlich.


Allgemein bedeutet Freiheit, anders zu sein als man im allgemeinen ist.


Stilkunde früher:

Der Mann in der Bank sagte, dass er alle anwesenden Kunden,

wenn er das Geld nicht pünktlich bekäme, erschießen würde.

Heute:

Die Bank sagte dem Mann, wenn er die Kunden und alle Anwesenden

erschießt, die nicht pünktlich sind, das Geld bekommen würde.


Was wir so alles mit der Zeit anstellen:

sparen, verlieren, einteilen, spielen, stehlen, vertreiben, totschlagen.

Kein Wunder, dass sie uns immer davonläuft.


Das Menschenbild ist bei vielen Menschen davon abhängig,

wie herum sie es in den eigenen vier Wänden au

An Weihnachten werden Opa und die Oma geputzt blitzeblank,

Neujahr hängen beide in Zellophan verpackt wieder im Schrank.


Es soll Menschen geben, die von hinten beginnen,

wenn sie von vorn anfangen wollen.


Als er nach dem Nachspann darüber nachsann,

wie er sich in sie verliebte,

ob nun Hals über Kopf, oder Kopf über Hals,

dass Kopf über Hals nach den Gesetzen

der menschlichen Anatomie eigentlich logischer wäre,

ihn dann aber doch Zweifel überkamen,

und er sich, als er für längere Zeit, auf dem Kopf stehend,

sich ausgiebig im Spiegel betrachtete,

für Hals über Kopf entschied, ließ er alles stehen und liegen,

um ihr diese erquickliche Kunde in einer trauten Runde aus

seinem Munde in einer halben Stunde zu hinterbringen,

doch sie verstand nicht ein einziges Wort von dem,

was er zu ihr sagte, weil er sprach schwäbisch,

und sie chinesisch.


Sorgen kann man nie genug haben,

die lassen einen wenigstens nicht im Stich.


Die Herzensbildung hinkt der Vermögensbildung immer noch hinterher.


Außer dem Grund und Boden hatte er allen Grund dazu,

der Sache auf den Grund zu kommen und von Grund

auf zu ergründen, ob im Grunde genommen etwas mit ihm,

oder der ihm anvertrauten unergründlichen Hilde,

welche nicht im Bilde, nicht stimmte,

denn bestimmt gab es bestimmte Leute,

die zu Höherem bestimmt darüber abstimmten,

über beider Köpfe hinweg zu bestimmen,

was mit ihnen nicht stimmte,

was sie und ihn gleichermaßen verstimmte.

Seine Stimmung und die der Hilde waren im Keller,

und er mitsamt der unergründlichen Hilde,

welche nun im Bilde, auf ein Atoll mit dem Namen

Thiladhunmathi-Miladummadulu verschwand,

wo sie keiner kannte.


Keine Araber die Araber die Rhabarber essen, 

weil Rhabarber die Araber nicht essen.


Leere Worte sind wie leere Häuser, in denen niemand wohnt.


Es ist besser ahnungslos zu leben,

als hoffnungsvoll auf etwas zu warten.


Die kürzesten Ehen sind die, wenn dem einen die

Worte fehlen, und der andere keine Worte findet.


Bei so mancher Idee wäre es besser

gewesen, es wäre bei der Idee geblieben.


In Anbetracht von Zins und Steuer wird der Mensch zum Wiederkäuer.


LEBEN

NEBEL

Bei beidem fischt man bisweilen im Trüben.


Reden ist Silber, Zuhören ist Gold.


Viele Menschen trösten sich mit der Vorstellung,

wenn jemand in der Zeitung ihre Todesanzeige liest,

nicht umsonst gelebt zu haben.

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Verschiedene Texte

Politikerdasein

Dass Politiker von da kommen, wo der Pfeffer wächst und sie sieben Leben haben, das würde selbst einem arglosen Einfaltspinsel, der gerade mal bis drei zählen kann, nicht in den Sinn kommen und ist nicht gleich Jacke wie Hose. Und manch einer mag sogar behaupten, dass Politiker, die Grütze im Kopf haben, nur alle Jubeljahre geboren werden. Aber ist so ein Möchtegern-Philosoph nicht auf dem Holzweg? Ganz bestimmt ist er das. Andere dagegen meinen, dass Politiker wie Pilze aus dem Boden schießen, wenn ein warmer Regen winkt. Aber auch diese Leute sind auf dem Holzweg. Der springende Punkt ist der, wer das Zeug dazu hat ein Politiker zu werden, und wer nicht. Und das hat seine Bewandtnis, wie manches andere auch, in der Tierwelt. Bereits die Kinder in der Grundschule wissen darüber Bescheid, dass das Kuckucksweibchen seine Eier ohne allzu große Gewissensbisse in fremde Nester legt. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ist der kleine Kuckuck erst einmal aus dem Ei geschlüpft, macht er sich gleich an die Arbeit, seine Mitstreiter, einen nach dem anderen, über die Klinge springen zu lassen. Und dieses wenig rücksichtsvolle Verhalten wird dem werdenden Politiker bereits in die Wiege gelegt. Spätestens dann, wenn der Sprössling das Laufen erlernt hat, entledigt er sich ohne langes Federlesen der Geschwister und lässt es wie einen Unfall aussehen, bevor die Eltern den Braten riechen oder wissen woher der Wind weht. Bereits in der Frühphase lernt der zukünftige Politiker, wie ein Vertreter des Volkes, wenn er ausgeschlafen ist, seine Angelegenheiten vor aller Augen unter den Teppich kehrt, ohne dass es den anderen auffällt. In einem zweiten, entscheidenden Schritt erarbeitet er sich das Kapitel, einem Rivalen ein Gerücht, das er sich aus den Fingern gesaugt hat, unterzujubeln und hier und da Öl ins Feuer zu gießen. Dabei schaut er stets drein, als könnte er kein Wässerchen trüben. Mit fünfzehn Lenzen hat sich die Überzeugung in ihm breitgemacht, dass das Hemd näher als der Rock ist, und für jemanden die Kastanien aus dem Feuer zu holen, er gleich Eulen nach Athen tragen kann. Damit ist die Laufbahn als Politiker in trockenen Tüchern. Und irgendwann zieht er dank einiger Lobbyisten mit viel Brimborium ins Rathaus ein, wo er sich für die nächste Etappe als künftiges Staatsoberhaupt warmläuft. Klappern gehört zum Handwerk, wenngleich er von Tuten und Blasen keine Ahnung hat und vom Geschäft so viel versteht wie das Rindviech vom Walzer. Ein Politiker, der zu Größerem berufen, sitzt auf seinen Ohren und ist, will man ihm auf den Zahn fühlen, so redselig wie eine Bronzestatue. Es ist immer klug, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten und den Hund hinter dem Ofen zu belassen, als ihn von dort hervorzulocken. So etwas geht unausweichlich in die Hose und endet wie seinerzeit das Hornberger Schießen. Daher ist es immer vorteilhaft jemanden zu kennen, der weiß, wo der Barthel den Most holt. Nichts übers Knie brechen, so lautet die erste Maxime eines Politikers, und die zweite lautet, nach dem Frühstück die Hände in den Schoß zu legen und darauf zu warten, dass ein Wolpertinger die Straße entlangkommt. Ein Politiker denkt nicht laut, vielmehr denkt er nicht einmal von der Wand bis zur Tapete, wenn von ihm etwas erwartet wird, und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein. Der Politiker schwebt lieber über den Wolken, als dass er aus allen Wolken fällt. Einmal vom Zustand der Ordnung befreit, lebt es sich mit Leichtigkeit, denn wo kein Hase, da kein Jäger. Auch kippt er gern mal einen hinter die Binde und führt andere hinters Licht, bevor ihnen ein Licht aufgeht. Zuweilen hört der Politiker das Gras wachsen, wenn etwa ein Bittsteller um eine Audienz nachfragt, oder irgendein x-beliebiger Interessenverein seinen Besuch ankündigt. So etwas verhagelt jedem Politiker die Petersilie. Ein Unglück kommt selten allein, und des drohenden Unheils gewärtig, greift er schlankweg in die Trickkiste auf seinem Schreibtisch. Beispielgebend lässt er die Fahne vor seinem Amtssitz auf Halbmast setzten und die Neuigkeit verbreiten, dass er den Beruf als Politiker an den Nagel gehängt habe und Gewehr bei Fuß stehe, um der altersschwachen Frau Mama in ihrem allerletzten Gefecht beizustehen. Das ist natürlich eine Finte. Und überhaupt können ihm alle Damen und Herren, die aus jeder Mücke einen Elefanten machen und ihm die Rosinen neiden, mal den Buckel runterrutschen. Damit hat er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Rasch lässt er noch eine Allee und ein Brauhaus nach ihm umbenennen, dann geht er. Er geht, und mit ihm gehen ein Silberbesteck, ein antiker Teppich aus Tibet, ein Hinterlader aus dem Deutsch-Französischen Krieg mit eingravierter Signatur, und ein Schwimmabzeichen in Gold. Sich im Beisein von der Sekretärin etwas anzueignen, das einem nicht gehört, und diese Übung soweit zu vervollkommnen, dass es in Fleisch und Blut übergeht, da lacht dem Politiker das Herz im Leibe. Ein Politiker lässt sich nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen. Und weil eine Hand die andere wäscht, sieht das staunende Publikum ihn anderenorts im Handumdrehen seine Zelte bei einem Sozius aufschlagen. Wo ein Baum wächst, da wachsen auch zwei, und umso mehr Schäflein schaffen es ins Trockene. Dass Politiker die Radieschen lieber von oben als von unten betrachten, steht ihnen auf der Stirn geschrieben, aber auch sie müssen irgendwann in den sauren Apfel beißen, wenngleich sie nichts zu befürchten haben. Das letzte Hemd eines Politikers hat seit Adams Zeiten zwei Taschen. In der einen steckt ein Notizblock, und in der anderen Bares. Für den Fall, dass es mit Haus und Hof Matthäi am Letzten ist, während die Nachbarn links und rechts in ihren Urnen in die Röhre schauen. Doch über kurz oder lang macht alles neu der Mai, und wenn der Mai das vierte Mal, nachdem der Entscheidungsträger abgetreten, gekommen ist, ist der Moment für seine Wiederauferstehung gekommen. Jeder kennt seine Pappenheimer, und der eine oder andere Besserwisser würde sagen: "Die feixen sich bestimmt eins, dass sie da unten so billig logiert haben. So machen die Brüder das eben. Haben den Daumen auf den Beutel und halten sich immer ein Hintertürchen offen. Wer nicht schummelt, der bummelt." Dieser einfühlsamen Schilderung ist zu entnehmen, was es bedeutet, heutzutage Politiker zu sein. Wo sie in Erscheinung treten, da stellen sie ihr Licht über den Scheffel und kommen vom Hölzchen aufs Stöckchen. Der Politiker, wie er im Buche steht, ist in geselliger Runde ein offenes Buch und redet meistens ungefragt, auch wenn seine Person nicht gefragt ist, wie ein Buch, obwohl die Welt für ihn ein Buch mit sieben Siegeln ist. So bleibt unterm Strich festzustellen, dass jemand, bevor aus ihm nichts wird, aus ihm ein Politiker wird, denn wo nicht gehobelt wird, da fallen auch keine Späne. Hin und wieder verlassen Politiker den Olymp und bevölkern für eine kurze Zeitspanne die Erde, um mit ihresgleichen ins selbe Horn zu stoßen und sich mit fremden Federn schmücken. Und selbst ihre Jünger beschleicht zuweilen das Gefühl, dass es über ihren Häuptern nicht immer mit rechten Dingen zugeht. Nur ganz selten, etwa bei einem Stelldichein, flackert bei ihnen so etwas wie Unbehagen auf, und der Hintermann seinem Vordermann, nachdem sich beide unabhängig voneinander ehrfurchtsvoll im Kreis umgeschaut haben, vertraulich ins Ohr flüstert: "Versprechen das Blaue vom Himmel und gehen dann stiften, wenn es im Kabuff ungemütlich wird. Zeig mir einen von den Parteibonzen, der seinen Kopf hinhält, wenn die Kacke am Dampfen ist. Die haben eben immer Schwein, denn den Seinen gibt's der Herr noch obendrauf."

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Erklärungsversuche

Er blickte ungläubig und stirnrunzelnd zur Zimmerdecke, sah von der Zimmerdecke in Schlangenlinien abwärts zur Zimmerecke, wo die Zimmerlinde stand, starrte von der Zimmerlinde einen Moment lang geistesabwesend auf die Zimmerwand, äugte mit Leidensmiene von der Zimmerwand in Richtung Zimmertür, vergewisserte sich mittels seines angefeuchteten Daumens, dass diese ordnungsgemäß geschlossen war und vom Zimmerfenster her kein Luftzug kam, und nachdem er alles Erdenkliche und Undenkliche ausgelotet und einer tiefen Seufzer getan hatte, wandte er sich, nachdem er sich auf diese Weise geläutert hatte, wieder seiner Frau zu. Er schlug die Beine übereinander, legte seinen rechten Arm um sie, stellte den Fernseher von Zimmerlautstärke auf kleinlaut, und sagte zu ihr: "Es verhält sich anders, als du dir es vielleicht in Gedanken ausmalst. Was mich betrifft, so würde ich auch nicht im Entferntesten daran denken, dir, mein entzückender Engel, etwas zu verheimlichen. Und ich habe die berechtigte Hoffnung, daß du mir darin nacheifern wirst. Nur ein- oder zweimal erschien es mir in der Vergangenheit tunlich, aus Liebe zu dir, eine Mitteilung nicht direkt zu unterschlagen, aber wegen ihrer Geringfügigkeit kein Aufheben deswegen zu machen. Ich habe mir geschworen, mit deiner Nachsichtigkeit künftig ein noch besserer Mensch und Ehemann zu werden." Sie nickte zustimmend. "Und da werde ich meinem Vorbild, dem Homo erectus, welcher durch seine aufrechte Gangart in die Annalen einging, in nichts nachstehen." Sie nickte mehrmals. "Es entspräche zudem nicht meiner Vorstellung von einer komplementären Beziehung zwischen Mann und Frau, wenn ich dir vorenthielte, dass ich am liebsten wegrennen würde. Natürlich nicht vor dir, mein entzückender Engel, aber vor jenen, denen ich in Bälde ausgeliefert sein werde, wenn ich nicht geliefert sein will. Meine Prostata ist mir seit einem Quartal nicht wohlgesinnt, und ich fürchte, dass ich…." Jetzt nickte sie nicht mehr, weil sie eingenickt war und vor sich hin nickte, so wie sie es immer machte, wenn für sie nicht der geringste Zweifel bestand, dass er vor ihr katzbuckelte oder sich verstellte.

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Brief an die Mutter.

Liebe Mama,

ich habe schon 10x bei dir angerufen und es hat immer nur tut tut tut gemacht. Dann war da ein Mann dran und der hat ganz laut geschimpfft. So hast du immer mit Papa geschimpfft wenn Papa von der Frau Liebermann gekommen ist. So was wie möre hat der Mann am telefon gesagt. Sagen die das jezt zu allen Mädchen? Und was sagen die wenn das Jungen sind? Als ich wieder angerufen habe da hat eine Frau gesagt das da die uhulogie ist und nicht meine Mama. Dann hast du bestimt wegen Papa das telefon wieder ab bestellt. Ich schreibe dir heute nur so wenig weil so fiel passirrt ist das ich dir erst sagen kann wenn ich wieder da bin. Wir sind jezt 1 woche da wo die nordsee ihren sitz hat. In der nordsee ist das wasser immer salzig und schmeckt wie die nudelsuppe von Oma. Heute scheint die sonne überall und auch bei uns. Gestern konnten wir einen echten vollmond sehen. Das gibt es hier nicht jeden tag. Wir wohnen in den haus gegenüber da wo der kiosk ist und die strandpomade. Wir haben ein zimmer hier mit balkon und mehrblik. Ich habe meine 2 bikinis und die schwimmflügel die du vorher gebügelt hast mitgenommen. Auf den einen bikini stehen 12 rote herze. In jedes herz habe ich Mama mit einen wasser festen stifft geschrieben damit du immer bei mir bist wenn ich baden gehe. Als ich heute noch Mal die ganzen herzen gezeält aufgeschriben habe waren es auf ein Mal 13. Weil der stifft leer ist habe ich ein herz mit der schere raus geschnitten. Jezt habe ich da wo mein bauchnabel ist ein grosses loch. Gestern am strand bin ich auf eine kwalle getreten und es hat sich angehört wie wenn ich auf dem klo bin und mal gross muss. Auf dem strand waren viele leute und ein paar von den hatten nichs weiter an. Es gab welche die hatten einen sonnenhut auf denn die waren schon ganz verbrant. Einige hatten oben ganz rote nasen. Meine freundin Hanna hat gesagt das wir seit ein paar tagen fledermäuse im haus haben. Die können wenn es dunkel ist auch fliegen und hängen ihren kopf immer nach unten wenn sie sich ausruhen hat Hanna gesagt. Wenn ich wieder zu hause bin werde ich Frau Krause fragen ob die fledermäuse mit ihren kindern das auch so machen. Ein anderes Mädchen hatte für 2 tage flöhe und musste mit ihnen in ein anderes haus ziehen wo ihr ein Mann die flöhe wieder weg genommen hat. Jezt hat sie keine flöhe mehr und keine haare auf den kopf mehr. Hanna hat eine mücke hinter ihren linken auge gestochen. Jezt hat sie eine augenkappe auf. Mit der kappe kann sie nur die hälfte von allen sehen. Aber wenn die klappe wieder runter kommt dann kann Hanna wieder alles doppelt sehen. Gestern waren wir auf einen bauernhof. Da standen überall kühe herum und ich durffte dabei zugucken wie der bauer eine kuh gemelkt hat. An der kuh war ein dicker ballon angenät und der hatte die farbe wie mein lieblingskaugummi. Der ballon hatte unten 2 finger da wo auch die milch raus kommt. Die finger fülten sich an so wie deine gummistrümpfe. Da waren ganz viehle hühner mit weissen und braunen federn. Aber wenn die hühner auf den Teller kommen ziehen die sich vorher aus. Ich durffte auch auf einen pony reiten. Das ist ein kleines pferd das nicht grösser wird weil es nur für kinder hergestellt wird hat Hanna gesagt. Wir sind auch in einer kutsche gefahren. Als Frau Sauerbier angefangen hat zu singen sind wir und die kutsche in ein tiefes loch gefallen. Die feuerwer musste mit einen langen seil kommen und uns raus ziehen. Der vermieter hat da wo wir wohnen einen hund. Der sieht aus wie unser nachbarr Herr Bohnensack sein mops. Und der vermieter sein hund hat als es dunkel war das händy von Hanna runter geschluckt. Als wir alle beim abendessen waren hat das händy in den hund sein bauch geklingelt. Das war bestimmt Hanna ihre Mama. Da hat der vermieter den hund einen grühnen saft zu trinken gegeben und dann ist der hund mit den Mann gassi gegangen. Das hat aber nicht richtig funtionirt. Denn das händy ist aus den hund wieder raus gekommen aber das ladekabel nicht. Morgen gehen wir zufuss in ein schwimmbad da wo das haus ist wo nur Menner rein gehen weil die Frauen schon da sind. Das hat der vermieter uns so gesagt. Ich habe das bild wo du Papa durchgestrichen hast auf die fensterbank gestellt damit ich dich immer sehen kann wenn ich in meinen bettchen liege. Jetzt muss ich aber schluss machen weil es jezt abendbrodt gibt und wir nach her eine nacktwanderung machen wollen. Ich hab dich ganz doll lieb. 1000 küsse.

Deine Anna

Pst. Ich habe es mir noch Mal überlegt. 100000 küsse
Deine Anna

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Die einsame Seele

Eine alte Seele, die schon viel in ihrem Leben gesehen und erfahren hatte, flog an einem Frühlingstag durch ein kleines Wäldchen, welches ganz für sich allein auf einer Anhöhe lag und in dem sich so gut wie nichts ereignete, außer daß ab und an ein schwacher Luftzug durch die Baumwipfel strich und die ein oder andere Krähe auf einem Ast hoch oben über dem Waldboden in der Frühlingssonne ihr Mittagsschläfchen hielt. Die alte Seele fühlte sich plötzlich müde und niedergeschlagen, und so entschied sie sich dafür, eine blaue Blume, die sie zuvor noch nie in dieser Gegend gesehen hatte und die schon von weitem leuchtete und blinkte, anzufliegen und dort eine Ruhepause einzulegen. Ein schmales farbiges Lichtband, das je nach Einfall des Sonnenlichtes mal schwächer und mal stärker aufschien, und für das die alte Seele keine Erklärung hatte, umrankte die Blume wie ein tanzender glitzernder Reif. In der Blume selbst schien sich die Bläue indes noch zu vertiefen, und winzige rote gebogene Äderchen, die wie geschwungene Linien aussahen, durchzogen die inwendige Blüte wie ein kunstvolles Geflecht, und die alte Seele war vor Staunen regelrecht sprachlos. Ein Meer von Farben und Düften entstieg dieser wohlgestalteten und herrlichen Blume, und das Innere war, wie die alte Seele mit Behagen feststellte, samtig weich wie ihr Bett zu Hause. Da es ein warmer und sonniger Tag war, entkleidete sich die alte Seele und hängte ihre Sachen in Reih und Glied über den Blütenrand. Dann streckte sie sich der Länge nach aus und schlief fest ein. Die alte Seele vernahm ein leises Rauschen wie von einer weit entfernten Brandung, in das sich ein undeutliches Murmeln, oder vielmehr ein begütigendes und erquickliches Flüstern, ähnlich wie in einem wunderbaren Traum, mischte. Einen Augenblick später drang eine liebliche Musik an ihr Ohr, welche die alte Seele als ihre Lieblingsmusik erkannte und die sie umschmeichelte wie Kinder ihre Mütter umschmeicheln. Es waren aufstiebende, sich wiederfindende und sich liebkosende, ineinanderfließende Töne von inniger Zärtlichkeit und Schönheit, die sich in einem dahinziehenden Strom aus himmlischen Essenzen vereinigten und der alten Seele die Tränen in die Augen trieben. Dann vernahm sie Stimmen, die sie sogleich erkannte und die sie zuletzt in ihrer Kindheit gehört hatte. "Siehst du", riefen sie ihr zu, "das Leben beginnt mit einem Paukenschlag und endet mit einem Paukenschlag. Und dazwischen liegen weniger Jahre als Achselhaare. Es braucht so viele Leben, wie Finger an einer Hand sind, um eines zu verstehen, und noch einmal so viele Leben, um den Tod zu verstehen." Die alte Seele dachte an frühere, an bessere Tage, als sie glaubte ihren Seelenfrieden gefunden zu haben, an die vielen Seelengemeinschaften, die es damals noch gab, die einen aufrichteten und trösteten, wenn eine Seele Selbstzweifel plagten. Sie dachte an die Großeltern, an den Vater und die Mutter, die längst nicht mehr waren, an die Geschwister, die schon vor Zeiten hinübergegangen waren, und schließlich sah sie ihr einziges Kind, das an einer tödlichen Krankheit verstorben war. Die alte Seele war die letzte ihrer Art, das stand für sie fest. Eine alte einsame Seele, deren letzter Augenblick jetzt gekommen war. Die alte Seele erwachte und blickte dieses eine Mal noch auf ihr langes und mühseliges Leben zurück. "Wenn wir dem Leben wohlgesinnt sind und es leidenschaftlich umarmen", rief sie laut, "wenn wir nicht den Blick abwenden, sondern zum Leben hinsehen, es herausputzen und es kleiden, denn es kleidet sich nicht ohne unser Zutun, dann wird das Leben es auch gut mit uns meinen und für uns sorgen. Jawohl!" Dann tat die alte Seele einen allerletzten tiefen Atemzug und wurde erlöst. Doch die blaue Blume, wo die alte Seele ihr Grab gefunden hatte, war nichts anderes als ein gewöhnliches Buschwindröschen, wie sie dort überall wachsen.

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Therapeut und Klient

"Donnerwetter, Frau Weißhaupt, Sie sind heute aber überpünktlich, die Sitzung beginnt doch erst um zehn Uhr vierzig. Jetzt haben wir es zehn Uhr fünfunddreißig. Alle Achtung! Wenn alle meine Patienten so gewissenhaft und pflichteifrig wären wie Sie, könnten wir Therapeuten viel ökonomischer arbeiten und weitaus mehr aus dem Tritt geratene Seelen zurechtstutzen, denn wo Hopfen und Malz noch nicht verloren sind, stirbt die Hoffnung zuletzt. Finden Sie das nicht auch?" "Tschilp!" "Was sagten Sie gerade?" "Tschilp!" "Äh – ja, Sie haben recht. Die Luft in diesem Raum ist ziemlich trocken. Darf ich Ihnen ein Glas Wasser bringen lassen? Oder vielleicht einen Kamillentee?" "Tschilp." "Ich kann beim besten Willen nichts mit diesem Tschilp anfangen. Wollen Sie mir vielleicht etwas anvertrauen, das Sie, liebe Frau Weißhaupt, wegen einer in der Vergangenheit liegenden Traumatisierung nicht in allgemeinverständliche und vernehmliche Worte zu fassen vermögen, oder aber Sie versuchen es mal mit einem Kikeriki, das würde für etwas Abwechslung sorgen." "Tschilp!" "War das ein Nein oder ein Ja? Ich schlage vor, dass Sie und ich, also wir beide, an einem Strang ziehen und gemeinsam versuchen sollten, Licht ins Dunkel zu bringen. Ich möchte Sie dazu ermuntern, mir die Gemächer zu Ihrem Unterbewusstsein zu öffnen und das, was ihre Seele beschwert und nicht so recht aus Ihnen herauswill, hier und jetzt schauspielerisch – ich erwarte weder eine Bergmann noch eine Hepburn, darzustellen, so in der Art eines expressionistischen Dramas. Das gilt auch für dieses Tschilp, wenn Sie gestatten." "Tschilp!" "Nun reicht es aber mit diesem unsinnigen und hirnverbrannten Tschilp, das ist hier fehl am Platz. Verflixt noch mal, was machen Sie denn nun schon wieder? Warum spreizen Sie Ihre Arme und bewegen diese auf und ab? Sie werden mir doch nicht davonfliegen? Ich schließe lieber sogleich das Fenster, ehe Sie sich dünnemachen und mich mir selbst überlassen, hahaha." "Mäh!" "Herzallerliebste Frau Weißhaupt, Sie irritieren mich, und das ganz gewaltig! Ich bin mir bei Ihnen nicht sicher, ob Sie sich nicht vielleicht doch an einen Logopäden wenden sollten. Wie denken Sie darüber?" "Mäh!" Warum in aller Welt scharren Sie mit Ihren Hufen – äh – Füßen? Sie sind schuld daran, daß mir ganz blümerant zumute ist. Sie werden mir noch meinen Teppich ruinieren. Da, sehen Sie! Dort ist er schon ganz ausgefranst. Und sogar zwei Löcher hat er schon." "Määähhh!" "Bitte beruhigen Sie sich doch, das kriegen wir schon wieder hin. Zwei Flicken drauf gesetzt, und schon sieht er wieder aus wie neu. Einverstanden?" "Mäh!" "Na also, ich wußte, Sie würden einlenken. Das ist brav. Allmächtiger Gott! Jetzt klettert sie auf den Tisch und dreht mir den Rücken zu. Verehrte Frau Weißhaupt, ich beschwöre Sie, ich flehe Sie an, behalten Sie Ihre Hosen an. Ach was, Sie haben sie bereits abgestreift. Gewiß, ein niedliches rundes Popochen haben Sie da, und schön rund gewachsen ist es auch noch. Und nicht eine einzige Unebenheit, wie ein erst vor kurzer Zeit entstandener und unbewohnter Planet, auf den noch nie ein Mensch seinen Fuß gesetzt hat. Wenn es ihnen nichts ausmacht, werde ich nicht wegsehen und für exakt zehn Sekunden verweilen, mehr kann ich nicht genehmigen. Wie schnell doch die Zeit vergeht. Die zehn Sekunden sind nunmehr vorüber. Ich darf Ihnen, Frau Weißhaupt, für die eindrucksvolle Darbietung und erquickende Aussicht danken. Sie haben gerade nicht nur meinen Horizont erweitert, sondern mir ebenfalls neue Sichtweisen erschlossen." Da sagte Frau Weißhaupt: "Nun, Herr Schwarz, wenn Sie soweit sind, können wir mit der Sitzung beginnen." Herr Schwarz machte sich klein und antwortete unterwürfig: "Sehr gern, Frau Dr. Weißhaupt, sehr gern."

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Wer warst du ?

Es war jetzt fast Mitternacht. Er saß in der Kneipe, in die er in solchen Momenten wie diesen flüchtete, an der Längsseite eines schmierigen Tresens auf einem schäbigen Barhocker und bestellte sich noch ein Bier. Die Bedienung glich einer verwitterten bleifarbenen Plastik, die in irgendeinem fensterlosen Kellerloch vor sich hin staubte, und die nur an solchen Tagen wie diesen, an denen der Kneipenwirt sie als Aushilfe brauchte, aus ihrem dunklen Verlies herausgeholt wurde. Die wenigen Nachtschwärmer, die noch anwesend waren und Spuren der Übermüdung und vom Alkoholgenuss im Gesicht trugen, sahen ebenso armselig und verlottert wie das Innere der Kneipe aus, das nur unwesentlich geräumiger als das Hinterzimmer einer beliebigen Absteige war. Ein dumpfiger und abgestandener Geruch lag über allem und jedem und auf dem Steinboden lagen hier und da ausgefranste Zigarettenstummel und aufgeweichte Bierdeckel, die verrieten, dass der Wirt und sein Gefolge es mit der Sauberkeit nicht so genau nahmen und sich buchstäblich einen Dreck darum scherten. In der Toilette lagen des öfteren benutzte Kondome, obwohl ein Hinweisschild dieses untersagte. Auf der einen Seite der Theke stapelte sich schmutziges Geschirr, denn wer das Einfache vorzog und nicht wählerisch war, konnte sich hier Bockwurst mit Brot oder hausgemachte Speckstippe mit Pellkartoffeln kommen lassen. Er empfing ein volles Glas und stellte es vor sich hin. Mit der einen Handfläche stützte er sein Kinn und starrte auf den Schaum, der langsam in sich zusammenfiel und zu kleinen Inseln geriet. Seit vielen Jahren waren Marie und er ein Paar. Als sie sich damals kennenlernten, das war in einem Tante-Emma-Laden, ungefähr eine Viertelstunde von hier, kamen sie ins Gespräch. Vielmehr war es so etwas wie ein Monolog, den Marie führte und ihm hin und wieder eine Silbe zuwarf. Irgendwann gingen sie dann zu ihm und schliefen miteinander. Nach vier Monaten zog Marie bei ihm ein, ohne großes Aufheben hatte sie ihre kleine Wohnung in der Luisenstraße gekündigt und ihm zu verstehen gegeben, daß die Zeit auch um sie keinen Bogen mache, und wo Platz für einen sei, da gäbe es auch Platz für zwei. Für Eifersüchteleien gab es keinen Grund, da Marie keine Frau war, nach der sich die Männer die Hälse verrenkten. Schon lange arbeitete sie in der kleinen Buchhandlung nahe der Hauptstraße, wo sie Buchbestellungen entgegennahm und Bücher für den Versand vorbereitete. Manchmnal sagte sie zu ihm: "Florin, weißt du eigentlich, wie furchtbar gern ich dich habe?" In der Anfangszeit war er ganz wild darauf sie zu penetrieren, und er genoss es, wenn sie seinen Penis streichelte oder ihn sogar manchmal in den Mund nahm. Florin fühlte sich für einen Moment geborgen und er vernahm eine freudige Leichtigkeit, wenn Marie auf seinem Schoß saß, ihn an sich drückte und wie ein junges Ding an seinem Ohr knabberte. Manchmal beschlich Florin ein Unbehagen, das er von früher her kannte, dass sie ihm etwas vormachte, nicht aufrichtig zu ihm war. Wenn sie ein Wort zu ihm sprach, das nur flüchtig hingeworfen, konnte dieses unschuldige Wort seinen Argwohn erregen. Florin kannte nur zu genau diese innere Zerrissenheit, die nicht selten in dem Drang mündete, etwas Absurdes, völlig Irrwitziges zu tun. Marie konnte es förmlich wittern, wie es in solchen Momenten um ihn stand, dann wandte sie sich mit einem traurigen Kopfschütteln von ihm ab und zog eine Schnute. "Ach Florin", sagte sie mehr als einmal zu ihm, "manchmal überkommt mich der Gedanke, dass du dich eines Tages so mir nichts, dir nichts davonstehlen wirst." In derartigen Situationen hatte Florin das Verlangen, Marie noch in demselben Augenblick verzweifelt zu umklammern und mit Liebkosungen zu überschütten, nur um sie mundtot zu machen, und einen Augenblick später wollte er sie zurückzustoßen und für immer verlassen. Florin hatte sich für den Fall, daß Marie seine Loyalität in Frage stellte, den Plan zurechtgelegt, Marie den Stuhl vor die Tür zu setzen, nur um zu sehen, wie sie reagieren würde. Er fand Gefallen an dem Experiment, Marie ein Märchen aufzutischen und ihr seine Karten aufzudecken, daß es aussichtslos sei und sie ihn daraufhin verließ, mit Tränen in den Augen und beladen mit Selbstvorwürfen. Dann spürte er das Leben und das Blut pulsierte durch seine Adern, und gleichzeitig hatte er eine Heidenangst, vor einer Trennung als einzigen Ausweg. Zuweilen schien es ihm, solche Gedanken wären ihm eigen, da sie sich wiederholten, und nur mit Mühe konnte er seine Peiniger in Schach halten. Wenn er zurückdachte, war es schon immer sein sehnlichster Wunsch gewesen, so wie andere in ihrem Bekanntenkreis eine Familie zu haben, mit Frau und Nachkommen, doch die allermeiste Zeit hatte er tatenlos verstreichen lassen oder sich wehmütig an das erinnert, was nie gewesen war. Irgendwann begann Marie zu kränkeln und mußte des öfteren das Bett hüten. Dann gesellte er sich zu ihr und sah durch sie hindurch, wie durch eine gläserne Puppe, nachdenklich und in sich gekehrt, und am Ende blickte er in ihre geröteten Augen, die auf ihn gerichtet waren. Florin fühlte sich in solchen Momenten entsetzlich allein, so entsetzlich allein, wie er es schon als kleiner Junge bei den Elern gewesen war. Eines Tages sagte Marie zu ihm: "Dort Florin, im Sekretär in der Stube", und sie wies mit dem Finger in die Richtung, "findest du etwas Geld. Wenn ich nicht mehr bin. Ich hab´s nach ganz oben gelegt, damit du es auch findest." "Ach Marie", hörte er sich sagen, "du bist mir über, weißt du das eigentlich? Das war schon damals so, von da an, als wir uns begegneten. Du hast immer etwas geahnt, nicht wahr? Aber Ahnung bedeutet nicht Wissen. Ein Teil von mir war bei dir und war doch nicht bei dir, selbst wenn ich mit dir geschlafen habe. Ich war ich mein eigener Richter und es lag in meiner Verantwortung, dich in diesem heillosen Durcheinander, dessen Urheber ich war, ersaufen zu lassen. Um meinetwillen bist du bei mir geblieben, hast dich sooft du konntest verleugnet, warum nur? Ich wollte das Unmögliche leben, wo das Mögliche zu leben nicht genug war." Marie setzte sich auf und drückte Florins Hand. "Zwischen dem Zeitpunkt, an dem wir das Licht der Welt erblicken, und dem Zeitpunkt, wo wir die Welt wieder verlassen, liegt nur ein kurzer Weg, und jeder freundliche Blick eines Menschen auf diesem Weg ist ein Glück, das wir erst am Ende des Weges zu fassen vermögen", sagte sie und ließ seine Hand los. Am nächsten Morgen war Marie tot. Florin blickte eine Zeitlang auf den leblosen Körper und schob dann die Bettdecke hinauf bis zu Maries Kinn, damit sie sich nicht erkältete. Florin bemerkte die Totenstarre zuerst in ihrem Gesicht: die blassen Wangen, ihr ungekämmtes Haar und der halb geöffnete Mund, und er fragte sich, ob er auch einmal, wenn er nicht mehr war, so daliegen würde, teilnahmslos und ohne jeglichen Reiz, ganz so wie ein totgeschlagener Hund. Dann kamen Leute, eine ganze Armada von wuselnden Sanitätern, hintendran noch ein Notarzt mit einem Gerät für die Reanimation, und schließlich die Angestellten des Bestattungsinstitutes. Irgendwann erschienen zwei Polizeibeamte auf der Bildfläche, die Florin eine Menge Fragen stellten. Eine Woche darauf war die Beerdigung, still und bescheiden, wie Marie es sich gewünscht hatte. Außer Florin war sonst niemand da, kein Freund oder Angehöriger, der von Marie Abschied nahm oder ein letztes Lebewohl sprach. Lediglich ein Mann im mittleren Alter, der bei der Friedhofsverwaltung beschäftigt war, und eine Pastorin, die ihren Sermon ohne Melodie in ihrer Stimme herunterbetete, spendeten Florin einige tröstende Worte. Für eine Sekunde war Florin von dem Wunsch besessen, ganz dicht bei Marie zu sein, um sie zu herzen und ihr sein Versagen einzugestehen. Als Florin hinterher geradewegs nach Hause ging, war er mit sich einig, dass es Marie nie gegeben hatte.

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Quis­qui­li­en

Zwei Nachbarsfrauen trafen sich im Hausflur. Es war ein gewöhnliches Mietshaus, wie es in jeder kleineren und größeren Stadt zu finden ist, mit einem Parterre, drei Stockwerken und acht Mietparteien. Alle egal und wie aus einem Guss. Ebenso die Menschen, die darin wohnten. "Hallo, Frau Mückenheim", sagte die eine, "ich habe Sie schon vermisst. Ist schon drei Wochen her, war wohl wieder das alte Leiden? Das da, wo die Nerven verrücktspielen?" "Das ist mein Mann, Frau Piepenbrink", bei mir ist´s der Ischias gewesen. Kommt und geht wie´s ihm gerade einfällt." "Das sagte ich doch", entrüstete sich Frau Piepenbrink und rückte bis auf zwei Zentimeter an Frau Mückenheim heran. "Hören Sie, liebe Frau Mückenheim, haben Sie in letzter Zeit den Brettschneider gesehen, den von ganz oben, ich meine rein zufällig? Da scheint mir was im Busche zu sein." "Donnerlüttchen, Frau Piepenbrink, was schwirrt Ihnen da durch den Kopf?" "Haben Sie denn nicht die Fenster gesehen? Die zur Straße gehen, davon rede ich. Ich habe meinen Lebtag noch nicht solche verdreckten Scheiben gesehen, und von den Rahmen ganz zu schweigen." "Da fällt jeden Tag mein Bick drauf, Frau Piepenbrink. Da hat die Sonne keine Chance durchzudringen. Ich möchte nicht wissen, wie´s erst drinnen aussieht." "Glauben Sie, der Brettschneider ist so was wie einer, der sich erst pudelwohl fühlt, wenn er sich durch Müllberge wühlen muß und überall sein Pipi hinmacht?" "Was weiß ich", Frau Piepenbrink, vielleicht haust da schon ein ganzer Kakerlakenstaat. Ich würd´ s nicht von der Hand weisen." "Jetzt übertreiben Sie aber, Frau Mückenheim. Sonst wären die vom Amt bestimmt schon da gewesen." "Ach was, heutzutage kümmert sich keiner mehr einen Deut um den anderen. Als ich noch im Büro war, da gab es Männer, die hätten sich lieber die Hand abhauen lassen als sie sich nach dem Pinkeln zu waschen." "Und ich dachte immer, Sie waren da, wo all die armen Viecher hinkommen, wenn sie tot sind." "Die Tierkörperbeseitigungsanstalt, das war mein Mann, Frau Piepenbrink." "Wusste ich´s doch", rief Frau Piepenbrink erleichtert. "Und was den Brettschneider angeht", fuhr sie fort, "vielleicht ist der verreist und ist unterwegs irgendwo liegengeblieben, ich meine menschlich." "Ach was, Frau Piepenbrink, die Kleine vom Metzger hatte mal ´n Techtelmechtel mit dem Brettschneider, und die hat immer und überall erzählt, dass der Brettschneider so was wie´ n Eremit is´ und seine Nase immer in irgendwelchen Büchern hat. Wenn so einer in der Materie steckt, kann der schon mal das Fensterputzen vergessen." "Aber liebe Frau Mückenheim, das verstößt gegen die Hausordnung", empörte sich Frau Piepenbrink, "Sie gehen doch auch nicht bei Rot über die Straße, nur weil Ihnen danach ist?" Frau Mückenheim schüttelte den Kopf. "Ich heiße auch nicht Brettschneider", raunte Frau Mückenheim Frau Piepenbrink zu, "und außerdem bin ich eine Frau, und Frauen tun so was nicht. Aber die Männer. Auch für meinen würd´ ich keinen Eid leisten. Jede Frau, die einen Mann an Land zieht, tritt sich gleich einen Dorn in den Fuß." "Da haben Sie vollkommen recht", schrie Frau Piepenbrink begeistert, da kann Ihr Mann aber froh sein, dass er solch eine Frau hat, die ohne mit der Wimper zu zucken durchgreift, wenn es sein muss. Ach herrje, meine Kartoffeln. Bestimmt sind sie schon gar, und mein Mann will pünktlich um zwölf sein Essen auf dem Tisch haben. Nicht früher, und nicht später. Wegen der Verdauung. Stört es Sie, wenn ich einige Vergissmeinnicht in den Treppenaufgang stelle? Ich finde die so hübsch." "Das bleibt Ihnen unbenommen, Frau Piepenbrink, und heben Sie mir die Sonntagszeitung mit den Beilagen auf. Wegen der Angebote nächste Woche." So gingen Frau Mückenheim und Frau Piepenbrink, nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, ihrer Wege. Am übernächsten Tag wurde Theophil Brettschneider formlos und ohne Anteilnahme der Hausgemeinschaft aus seiner Wohnung getragen. Wie der herbeigerufene Arzt feststellte, war Brettschneider bereits seit einem Jahr tot. Am Totenschädel befestigt war noch seine Brille, und die Brillengläser sahen aus wie zwei mattierte Uhrendeckel.

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Der Hund

Als Hieronymus Alboth frühmorgens erwachte, rieb er sich verwundert die Augen. Er richtete sich schlaftrunken im Bett auf und bemerkte einen großen schwarzen Hund, der am Fußende seines Bettes kauerte und seine spitzen gelben Zähne bleckte. Bei diesem Anblick zog Hieronymus die Bettdecke über seinen Kopf und wartete eine Zeitlang untätig. Er fragte sich, wie diese Erscheinung, die ihn in Angst und Schrecken versetzte, zu verstehen sei. Oder ob jemand mutwillig den grässlichen Hund nur seinetwegen dort hingesetzt habe, um ihn zu irritieren. Hieronymus musste sich eingestehen, dass er dem Hund, der ihn unentwegt fixierte und dabei seinen massigen Kopf wiegte, unterlegen war. Der Hund machte keine Anstalten sich zurückzuziehen, und aus dem weit aufgerissenen Maul rann pechschwarzer Geifer. Hieronymus überlegte angestrengt, wie er dem Damoklesschwert, das unleugbar über ihm schwebte, am leichtesten entgehen könne, ohne dass er dabei sein Leben aufs Spiel setzte. Er gab sich Mühe, gelangweilt auszusehen und blickte nach unten, setzte vorsichtig und ganz langsam einen Fuß auf den Boden, dann den zweiten. Der Hund rührte sich nicht. Hieronymus erkühnte sich und wagte es, sich unter Außerachtlassung aller Vorsichtsmaßnahmen anzukleiden, währenddessen er dem Hund den Rücken zuwandte und diesen dabei die ganze Zeit im Spiegel beobachtete. Der Hund rührte sich noch immer nicht. Hieronymus wollte nicht länger abwarten, und mit drei waghalsigen Sprüngen versuchte er, aus der Wohnung zu fliehen. Doch die Wohnungstür ließ sich ums Verrecken nicht öffnen. Den Hund schien das freuen, und er urinierte vor Hieronymus. Hieronymus ging in die Küche und zauderte einen Moment. Er langte nach einem Käsebrötchen vom Vortag und warf es dem Hund hin, das dieser gierig verschlang. Hieronymus stellte eine Schale mit Wasser auf den Boden und sann darüber nach, welches Mittel das geeignetste sei, den ungebetenen Eindringling ein für alle Mal loszuwerden. Der Hund soff gleichgültig das kühle Naß und beachtete Hieronymus nicht weiter. Dadurch ermutigt, erklomm Hieronymus den Tisch und schrie aus Leibeskräften um Hilfe. Da fing der Hund an gefährlich zu knurren, und Hieronymus verstummte. Der Hund verstummte ebenfalls und legte sich wieder hin. Hieronymus ging in das Wohnzimmer und sortierte die Post. Den Hund schien das nicht weiter zu interessieren, denn er hatte sogar das eine Auge halb geschlossen. Hieronymus witterte eine Chance und lief zum Telefon. Er sah mit Entsetzen, dass der Hund das Kabel durchgebissen hatte. Hieronymus blieb nichts anderes übrig, als sich dem neuen Hausherrn zu fügen. Er ging abermals in die Küche und nahm ein Messer, um ein Weißbrot aufzuschneiden. Als aber der Hund das Messer gewahrte, fletschte er die Zähne und seine flammenden Augen traten beängstigend aus den Höhlen hervor. Hieronymus legte das Messer weg und aß die eine Hälfte eines Apfels, die andere überließ er dem Hund. Mutlos geworden schlich Hieronymus wieder ins Wohnzimmer. Als er zufällig aus dem Fenster sah, erkannte er eine Anzahl von merkwürdig aussehenden Menschen, die sich, wie er annahm, seinetwegen dort unten versammelt hatten und nur auf einen Befehl ihres Anführers warteten. Sie liefen auf allen vieren und blafften, und einige unter ihnen scharrten sogar mit den Pfoten. Hieronymus stellte den Fernseher an, um sich abzulenken. Doch Hieronymus Alboth hatte aufgehört zu existieren. Fassungslos starrte er auf noch einen Hund, der unter dem Teppich hervorkam, dann folgte ein zweiter, der Hieronymus die Hose aufschlitzte, und ein dritter schließlich verbiss sich in Hieronymus' Gurgel. Wochen später erbrachen fremde Leute die Wohnung. Sie fanden seine Leiche, jedenfalls das, was von Hieronymus übriggeblieben war. Als sie sich über ihn beugten, sagte einer von ihnen: "Was auch immer mich hier unten in meinem einsamen Grabe hält, ist's noch einsamer über mir in der Welt."

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Wolkenstadt

Nichts ist vergleichbar mit dem, wenn ich Tag für Tag hinausgehe und aufschaue zu den Wolken, wie sie einfach nur dastehen und sich um nichts kümmern. Wie überzählige Daunenkissen auf einer blauen Wiese. Beim Anblick dieser Gebilde, die in schwindelerregenden Höhen ihre Heimstatt haben, durchströmt mich jedes Mal ein feierliches Gefühl. Mit meinen Augen verfolge ich die vielen kleinen und großen Bäuschchen, die wie bauchige Schiffe dahinsegeln, wenn der Wind bläst. Und dann erst die Wolken, wenn sie sich wie ein breites Band am Himmel hinziehen und vom Sonnenlicht angestrahlt werden. Überall sehe ich vergoldete Speere, deren Spitzen bis zur Erde reichen. Da schießt mir das Blut ins Herz, und am liebsten möchte ich alle Wolken umarmen und an meine Brust drücken. Die Einsamkeit sitzt mir wieder einmal im Nacken, sie verfolgt mich auf Schritt und Tritt, so wie jeden, den sie am Schlafittchen gepackt hat. Von Zeit zu Zeit habe ich die Vorstellung, dass ich zu den Wolken, meinen Wolken, hinaufsteige, ganz gemächlich, mit kleinen Hopsern, um sie wie gute alte Bekannte um mich zu scharen und um mich auf ihnen auszuruhen. Was halten Sie von der Idee? Ja, Sie meine ich. Und tun Sie jetzt bloß nicht so, als hätten Sie mittenmang das Lesen verlernt. Dann würde ich diese verdammte und nutzlose Einsamkeit unter mir lassen und mit Giftpfeilen beschießen. Ich würde sie, die Wolken, zu meiner Wolkenstadt formen und mit Sack und Pack dorthin auswandern. Ich hätte bestimmt nicht zu befürchten, dass mir da oben die Einsamkeit auflauert und mir das Leben versauert, wenn ich schon einmal dabei bin, mir meine Einsamkeit auszureden und ihr die Zähne zu zeigen. Ich habe die Einsamkeit, ihre verschiedenen Formen und Auswüchse, das können Sie mir getrost glauben, an mir selbst und bei anderen genauestens studiert. Die meisten, die von der Einsamkeit überrannt werden, schlagen der Länge nach hin und stehen so schnell nicht mehr auf. So ist das mit der Einsamkeit. Ich kannte mal einen Herrn, im besten Alter, der seit unendlich vielen Jahren unter seiner Einsamkeit litt, vielleicht noch mehr, als Sie und ich uns das vorstellen können. Tagein, tagaus hatte die Einsamkeit ihn in ihren Fängen und ließ ihn nicht mehr los. Als ich den bedauernswerten Mann zuletzt sah, berührte sein Kinn fast den Erdboden, und sein Blick war der eines ausgesperrten Geistes, so weit war die Einsamkeit schon bei ihm fortgeschritten. Ich würde da oben die Puppen tanzen lassen, auf einer Wolkenspitze balancieren, mich splitternackt zeigen, oder den ganzen Tag verschlafen, wenn mir danach ist. Meinen Dickens würde ich auf jeden Fall mitnehmen, und selbstverständlich noch ein Haustier, vielleicht einen bunten Papagei, der krakeelt und mir nach dem Munde redet. Und in der Nacht würde ich zu den funkelnden Sternen hinaufschauen und mich diebisch darüber freuen, daß ich an ihnen näher dran bin als die meisten Menschen. Ich kenne die Materie durch und durch, ich bin sozusagen ein Spezialist in Sachen Einsamkeit. Die Einsamkeit besitzt eine unverwechselbare, stets gleichbleibende Physiognomie, so wie bei dem armen Mann, und allenthalben und zu jeder Zeit, kommt einem die Einsamkeit in die Quere, soviel gibt es inzwischen davon. Die Einsamkeit ist geradezu wie eine ansteckende Krankheit, die sich ihre Opfer aufs Geratewohl herauspickt. Denn Anwärter für die Einsamkeit gibt es oben wie unten genug. Eventuell sollte ich noch diesen oder jenen Menschen, der noch etwas auf andere gibt, einen Menschenfreund, bitten mitzukommen. Was meinen Sie? Vielleicht wären Sie so freundlich, mir in meiner Wolkenstadt Gesellschaft zu leisten? Nur für eine gewisse Zeit, damit Sie und ich gemeinsam herausfinden können, ob Sie zu mir passen und das nötige Feingefühl mitbringen, Sie wissen schon. Aber ich verliere mich…

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Frau Igelbusch und Herr Kutschenreiter

"Hallo, Frau Igelbusch, es ist lange her. Wie geht es Ihnen? Was haben Sie denn mit Ihrem rechten Auge gemacht? Das sieht ja schlimm aus." Herr Kutschenreiter schaute besorgt drein. "Hat er Sie etwa wieder…?" Frau Igelbusch errötete. "Es ist nicht so, wie Sie vielleicht denken. Und außerdem, Herr Kutschenreiter, wäre es nett von Ihnen, wenn Sie…" "Ich denke gar nichts, liebe Frau Igelbusch, denn ich weiß es. Das pfeifen die Spatzen von den Dächern, und irgendwann wird es noch in der Zeitung stehen, wenn am Ende…" "Bitte nicht auch Sie, Herr Kutschreiter. Ist es nicht schon genug, dass ich…" "Es ist nicht das erste Mal, dass ich Sie lädiert antreffe, Frau Igelbusch. Es war vorgestern, da habe ich ihn ins Visier genommen. Drüben beim Bäcker. Da ist es mir eiskalt den Rücken hinuntergelaufen. Am liebsten würde ich…" "Ich bitte Sie, Herr Kutschenreiter, Sie irren sich, das war…" "Ich mich irren? Erlauben Sie mal, Frau Igelbusch, ich werde doch wohl wissen, wen ich wann gesehen habe. Und wie er zu mir herüber geschaut hat, dieser gemeine…" "Herr Kutschenreiter, die Leute drehen sich schon nach uns um. Wollen Sie wenigstens nicht mir zuliebe…" "Ach, Frau Igelbusch, er hat mich angestiert und mit seinen Blicken verfolgt, als wäre ich ein Nebenbuhler. Es wird dafür Zeugen geben. Was sagen Sie dazu?" "Mein lieber Herr Kutschenreiter, ich dachte, es hätte sich herumgesprochen. Er ist tot. Ist vor sechs Monaten gestorben. An Krebs." "Das sagen sie alle, wenn das gebrandmarkte Kind in den Brunnen gefallen ist und nicht wieder von allein hochkommt. Sie können sich selber etwas vormachen, Frau Igelbusch, aber nicht mir. Denn ich bin Realist. Und dazu noch ein unbestechlicher Beobachter. Und das nächste Mal, wenn er mir wieder über den Weg läuft, werde ich ganz bestimmt…." Frau Igelbusch blickte Herrn Kutschenreiter ins Gesicht und streichelte verschämt seine Hand. Herr Kutschenreiter stand nur da und weinte dicke Tränen.

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Ein Hoch auf die Frauen

Wie du bei diesem Schmuddelwetter wieder rumläufst, du bist viel zu dünn angezogen, sagte meine Schwester neulich zu mir, als ich durch und durch nass und vor Kälte schlotternd von einem Spaziergang zurückkehrte und sie mich auf eine Tasse Tee zu sich einlud. Ich klopfte das Wasser aus meiner Jacke und war froh, dass ich wenigstens die Gummistiefel angezogen hatte. Insgeheim musste ich über den Anpfiff meiner Schwester lächeln. So redet meine Frau auch immer. In dem gleichen Tonfall wie meine Schwester, mit einer gewichtigen Pause zwischen wie und du, so dass ich manchmal, wenn ich meinen träumerischen Tag habe, nicht genau weiß, wer da gerade zu mir spricht. Und wenn ich dann wieder bei mir angekommen bin, sehe ich abwechselnd meine Frau und meine Schwester. Das ist ein ungemein beruhigendes Gefühl, wenn zwei Frauen ein beständiges Auge auf einen haben. Strenggenommen sind es sogar drei Frauen. Ich vergaß meine Frau Mutter zu erwähnen. Ihre Fürsorge konzentriert sich aber mehr auf die Gegend oberhalb meines Scheitels. Ungeachtet der Tatsache, dass sie bereits fünfundachtzig Lenze zählt, schwerhörig und fast blind ist, herrscht sie mich jedes Mal, wenn ich sie im Seniorenwohnheim besuche, mit den Worten Du hast mal wieder keine Mütze auf an. Auch hier findet sich die bereits erwähnte Pause wieder, nur die Intonation ist eine andere. Zudem macht es für meine Mutter keinen Unterschied, ob es Winter oder Sommer ist. Wer ohne eine Mütze auf dem Kopf aus dem Haus geht, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Gehirnzellen schneller absterben als bei den Menschen, die ihre Mütze nie absetzen, sagt sie. Diese tätigen und anrührenden Bemühungen um einen Menschen oder ein Haustier scheinen den meisten Frauen mit in die Wiege gelegt worden zu sein. Da hat sich die Evolution selbst übertroffen. Die Frau unseres Nachbarn beispielsweise besitzt hierin eine erstaunliche und nachahmenswerte Begabung. Wenn es draußen bitterkalt ist und der Schnee in dichten Flocken herabfällt, spurtet die Hausherrin, bevor sie ihrem Gatten das Frühstück ans Bett bringt, durchsichtig bekleidet zu seinem Wagen, kratzt die Scheiben frei und lässt den Motor eine halbe Stunde laufen, und der Herr Gemahl rauscht aufgetaut und gelabt ins geheizte Büro. Da wird es mir richtig warm ums Herz, und ich rufe laut: Ein Hoch auf die Frauen. Oder nehmen wir die Frau eines Bekannten. Wenn dieser nur einmal seine Stirn in Falten legt oder die Mundwinkel herunterzieht, dann verfrachtet die Gattin ihn ohne Zeitverzug ins eheliche Bett, misst alle zehn Minuten seinen Puls, bereitet ihm ein schmackhaftes Süppchen zu und singt ihn in den Schlaf. Die Frau ist eine wahre Göttin, denn sie ist Krankenpflegerin, Köchin, Gesellschafterin, Souffleuse und Zerberus in Personalunion. Erst neulich sagte sie während einer Stadtführung zu ihm Liebling, gib bitte acht, daß du dich da unten nicht erkältest. Möglicherweise war in diesem Wunschsatz ein nicht näher bezeichneter Eigennutz verborgen, aber von da an habe ich meinen Bekannten nie wieder mit einem offenen Hosenstall gesehen. Was sind die Frauen doch für feinfühlige und pietätvolle Wesen, denke ich laut, und ich rufe: Ein Hoch auf die Frauen. Gerade fällt mir die Frau unseres Bürgermeisters ein. Als ihm vor ungefähr einem Jahr ein Drohbrief ins Haus flatterte, absolvierte seine Frau in Rekordzeit einen Kurs in Jiu-Jitsu. Und immer, wenn er das Haus verlässt, ist sie ihm auf den Fersen und bewacht ihn, als wäre er ein Fabergé-Ei. Gesetzt den Fall, dass jemand so unvorsichtig ist und die um ihn herum errichtete Bannmeile in Zweifel zieht, brüllt sie wie eine richtige Löwin, die ihre Jungen verteidigt, und gibt dem zudringlichen Menschen kurzerhand eins über den Dez. Solch eine Engagiertheit von einer Frau finde ich großartig und ich bin unendlich dankbar dafür, dass es die Frauen gibt. Es beweist, wozu Frauen fähig sind, wenn man die Zügel lockert und Zuckerbrot in der Tasche hat. Weiter oben habe ich darauf hingedeutet, dass meine Frau auch immer so redet. Doch das war einmal. Damals. Ich meine damit, dass sie jetzt nicht mehr so ist, wie sie vor unserer Silberhochzeit gewesen ist. Sie ist heute eine andere. Ich bin daher etwas betreten, denn heute spiele ich bei meiner Frau die zweite Geige, die erste spielt unser Kater Mohrle. Meine Rolle ist kleiner geworden, ich sitze bei ihr nicht mehr in der vordersten Reihe, und hin und wieder rasselt sie sogar mit dem Säbel. Wo gehobelt wird, da fallen Späne, sagt sie. Dennoch liebe ich meine Frau und flüstere mir zu, dass Zuneigung viele Gesichter hat, wenn man die Dioptrie verändert und genauer hinsieht. Und ich rufe laut: Ein Hoch auf die Frauen.

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Der Urlaub

Herr und Frau Kohlhaase waren soeben aus dem Urlaub zurückgekehrt. Ich begegnete ihnen im Bahnhofsrestaurant, in das ich mich mit schweren Schritten geschlichen hatte und wo es an diesem Tag gebratene Zanderfilets mit Meerrettichsoße, eins meiner Lieblingsgerichte, gab. Die beiden saßen an einem kleinen runden Buchentisch und waren jeder für sich in eine Tätigkeit vertieft. Herr Kohlhaase blätterte oberflächlich in einer Zeitung, während Frau Kohlhaase mit einer weißen Serviette die Tischplatte wienerte. Als Herr Kohlhaase mich bemerkte, winkte er mich zu sich. "Wer hätte das gedacht, dass sich unsere Wege heute kreuzen, Herr Dr. Steffens. Bitte setzen Sie sich doch zu uns. Dann schmeckt das Essen gleich viel besser." Missmutig setzte ich mich zu ihnen und bedeutete dem Ober, mit der Bestellung noch zu warten. "Sie müssen mir meinen Spleen nachsehen", entschuldigte sich Frau Kohlhaase, "das geht mir gegen die Natur. Alles, aber auch alles, muss bei mir sauber und blitzeblank sein, sonst bleibe ich lieber zu Hause." Ich erwiderte mit einem schwachen Kopfnicken und fragte mit erzwungener Höflichkeit: "Zweifellos hatten Sie und Ihr Gatte einen angenehmen Urlaub?" "Das muss ich Ihnen erzählen", Herr Dr. Steffens, bramarbasierte Herr Kohlhaase wichtigtuerisch, "ich war Zeuge eines Kampfgeschehens auf Leben und Tod, und das direkt neben unserem Swimmingpool. Wie bitte? Wohin mit dem Hühnerfrikassee? Das gehört der Dame, die mir gegenübersitzt. Den Blumenkohl und die Frikadellen können Sie mir hinstellen. Nun leg doch diese dämliche Serviette weg, du ruinierst noch die Furnierung." Herr Kohlhaase machte sich über den Karfiol her, während Frau Kohlhaase ihr Besteck kritisch beäugte und den Entschluss fasste, Messer und Gabel mit einer zweiten Serviette nachzupolieren. Ich sah durch das Fenster auf die Straße, wo gerade der Bus hielt und drei Fahrgäste ausstiegen. Wie liebend gern wäre ich in diesem Augenblick aufgesprungen, um den Bus aufzuhalten und von dem Fahrer zu verlangen, mich mitzunehmen, ganz egal wohin. Nur zwischendurch anhalten dürfte er nicht. Ich würde mich auf den hintersten Platz verdrücken und still und friedlich mit offenen Augen träumen, daß Anett für eine Stunde oder ein wenig mehr bei mir wäre. Ich würde nichts zu ihr sagen, sie nur ansehen und meinen Arm um sie legen. Danach würde ich sie gehen lassen, bis zum nächsten Mal. "Nun, stellen Sie sich das mal bildlich vor, Herr Dr. Steffens", legte Herr Kohlhaase los, "gleich neben dem Swimmingpool, wo ich täglich mein Sonnenbad nahm, saß irgendwann eine Taube. Eine ganz gewöhnliche Straßentaube, wie sie überall vorkommen. Bestimmt hatte die sich verfranzt. Denn ich habe noch nie gehört, dass Tauben ein Chlorbad nehmen." "Die Zimmer waren alle sehr reinlich", ließ sich Frau Kohlhaase vernehmen, "jeden Tag wurden die Teppiche zweimal gesaugt, und Handtücher bekamen wir jeden Tag neue. Sogar das Mobiliar wurde täglich abgestaubt. Diese Arbeiten erledigte ein hoteleigener Serviceroboter. Wir nannten ihn Max, weil er in seiner Livree so goldig aussah." "Die Sache stand schlecht, denn die Taube hatte sich einen Flügel und den Fuß verletzt. Saß auf dem nackten Stein fest und konnte sich nicht davonmachen." Herr Kohlhaase legte eine wohlüberlegte Pause ein und löffelte in Rekordzeit die Nachspeise. Frau Kohlhaase sortierte aus dem Frikassee die ansehnlichsten Brocken aus und schob sie sich in den Mund. Ich blickte auf Herrn Kohlhaase und sah Anett. Sie lupfte aus Vergnügen ihren Pulli und ließ ihren Brustansatz sehen. Dabei lachte sie und warf mir eine Kusshand zu, und ihre Augen strahlten zu mir herüber. Es ist eines der eindringlichsten und berückendsten Bilder von Anett, die mir geblieben sind. Unwillkürlich musste ich lächeln. "Da gibt's gar nichts zu lachen, Herr Dr. Steffens", nahm Herr Kohlhaase den Faden wieder auf, "die Taube befand sich weiß Gott in einer unerfreulichen Lage, denn eine hungrige Krähe, und die dazu noch schwarz wie die Nacht, tänzelte im Kreis um die Taube herum, taxierte mit funkelnden Blicken ihr Appetithäppchen, schnellte dann plötzlich vor und bohrte genüsslich ihren langen spitzen Schnabel in ihr Opfer. Dann ließ die Krähe von der Taube ab, umrundete sie abermals und schlug wieder zu. So ging das eine ganze Weile. Die Taube hatte schon eine Menge Blut verloren. Und ihre einzige Reaktion bestand darin, wie ein Entenküken reglos am Boden zu kauern und den Kopf einzuziehen. Die Krähe ließ sich Zeit, und die Taube war bald löcherig wie ein Schweizer Käse. Ich habe auf die Uhr geschaut. Fünfeinhalb Minuten, dann hatte die Krähe der Taube den Rest gegeben." Herr Kohlhaase vertilgte das übriggebliebene Hühnerfrikassee. Frau Kohlhaase befeuchtete ihre Poren mit einem Erfrischungstuch. Ach, Anett, ich werde nie vergessen, wie du mich in jenem Moment angeschaut hast, bevor dein Herz für immer aufhörte zu schlagen. Die weichen, fast durchsichtigen Linien in deinem Gesicht, das blasse Zartrosa auf deinen eingefallenen Wangen, und wie du mich ein letztes Mal fragtest, ob alles im Zimmer an seinem Platz steht, das hat mich zutiefst gerührt und erschüttert. Wenn ich an deinem Grab stehe, sehe ich dich vor mir, und in meiner Phantasie nehme ich dich mit fort, und wir gehen Hand in Hand nach Hause, unser Zuhause. Das male ich mir in Gedanken oft aus, selbst wenn dieses nie geschehen wird. Aber es hilft mir, meinen Kummer und meine Empfindungen nicht ganz so elend aussehen zu lassen, wenn ich unter Leute gehe. Da zupfte mich jemand am Ärmel. Das war Frau Kohlhaase. Sie blickte mich geradewegs an, Herr Kohlhaase derweil kontemplierte. "Ich will Ihnen etwas verraten, Herr Dr. Steffens", sagte sie, "mein Mann und ich sind noch nie verreist. Uns erdrückt die Einsamkeit da draußen, wir sind ihr einfach nicht gewachsen. Tragen wir nicht schon genug Einsamkeit in uns?", flüsterte Frau Kohlhaase betrübt zu ihrem Mann gewandt. Sie holte tief Luft, umklammerte mit ihren weißen und kalten Fingern mein Handgelenk und starrte hilflos an mir vorbei ins Nichts. "Hier, Herr Dr. Steffens", fuhr sie fort, "ist uns die Einsamkeit vertraut. Wir weichen ihr nicht mehr aus, weil wir uns an sie gewöhnt haben. Mit ihr stehen wir morgens auf, und mir ihr gehen abends zu Bett." Frau Kohlhaase weinte leise, und Herr Kohlhaase schwieg.

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Begegnung

Herr A. hatte alle Mühe, sich der Windböen zu erwehren, die ihn kräftig durchrüttelten und seinen Mantel wie einen Luftballon aufblähten. Er machte sich rund wie ein Flitzbogen, um so die Angriffsfläche zu verringern, und ertrotzte sich Meter um Meter. Voller Wut umklammerte Herr A. seinen Hut noch fester und schob ihn fast bis auf die Nase. Jetzt fing es an zu regnen, und der Regen fiel in großen runden Tropfen, die nach und nach in seine Kleidung drangen und sie aufweichten. Herr A. begann sich auszumalen, dass die Regentropfen immer zahlreicher und größer würden und sich irgendwann in einen reißenden Fluss verwandelten. Und dass der Fluss ihn ganz selbstverständlich auf seine Reise mitnähme, in eine Gegend, die ihm von früher her vertraut war, und wo er an alte Gewohnheiten und Annehmlichkeiten anknüpfen konnte. Herr A. war erleichtert, als er auf ein Wartehäuschen traf, wo er sich solange unterstellen konnte, bis der Regen aufgehört oder zumindest nachgelassen hatte. Ob hier in letzter Zeit ein Bus oder ähnliches gehalten hatte, bezweifelte Herr A., denn es gab keine Anzeigetafel mit den Ankunfts- und Abfahrtszeiten. Da sah er in einiger Entfernung einen Mann, der langsam näherkam. Der Mann versuchte, die Pfützen kurvenförmig zu umgehen, was Herrn A. entfernt an ein tänzelndes Zirkuspferd erinnerte. Herr A. winkte ihn zu sich und breitete unwillkürlich seine Arme aus. Er war über sich selbst nicht wenig erstaunt, denn eine derartige einladende Geste hatte er zuletzt bei seiner Tochter gezeigt. Die war inzwischen längst erwachsen und hatte selbst eine Tochter. Sein Julchen. Julchen ging in die fünfte Klasse eines Gymnasiums und war sein besonderer Liebling. Im Handumdrehen hätte sie ihren Opa jetzt aufgemuntert. Herr A. seufzte. "Du lieber Himmel, wenn das nicht der Herr B. ist! Und ausgerechnet hier in diesem armseligen Kaff, wo Menschen wie Sie und ich augenscheinlich Mangelware sind, treffen wir uns wieder. Sie sehen irgendwie mitgenommen aus." Herr B. nickte bekümmert und trat heran. Er wischte sich mit einem Taschentuch die Regentropfen aus dem Gesicht und aus den Ohren, wobei er seinen Kopf schief hielt wie ein neugieriger Papagei. "Es ist lange her", sagte Herr B., "sehr lange. Ich hatte Sie gar nicht mehr in meinem Gedächtnis abgespeichert. Da Sie mich hier um diese Stunde antreffen, ist dem Zufall geschuldet. Meistens ist es bereits dunkel, wenn ich ausgehe, und als ich noch mein eigener Herr war, da…" Herr A. runzelte die Augenbrauen. "Sind Sie etwa auch…?", fragte Herr A. etwas unbeholfen. "Nun, was denken Sie?", antwortete Herr B, "es sind gerade mal sechs Wochen vergangen, als ich…na, Sie wissen schon. Es war für alle Beteiligten mehr als unerfreulich, und am schlimmsten war es für mich, dass ich nicht…Das können Sie mir glauben. Wenn ich nur nicht…Aber ich kann die Tatsache nicht ignorieren. Könnte man den ganzen Schlamassel bloß rückgängig machen." "Bei mir", flüsterte Herr A., "sind es erst drei Tage. Ich aß gerade zu Mittag, als es passierte, und ich…Finden Sie es gerecht, dass ich…wir beide…? Ich kann und will mich damit nicht abfinden." "Sie werden sich mit der Zeit wohl oder übel daran gewöhnen müssen", versuchte Herr B. Herrn A. den Wind aus den Segeln zu nehmen, "denn irgendwann ist ein jeder mal dran. Wir haben hier genug Platz." Herr A. zögerte. "Es ist sehr einsam hier", gestand er Herrn B. schließlich, "und ich war stets ein geselliger Mensch. Vielleicht habe ich Sie ein- oder zweimal in der Menge übersehen und nicht gegrüßt. Damit waren nicht Sie gemeint. Schwamm drüber. Dürfte ich mich Ihnen, nur vorübergehend, anschließen? Mir würde es damit wohler ums Herz werden." "Das ist nicht gestattet", entgegnete Herr B. mit einem traurigen Lächeln, "der Tod kommt nicht für alles auf." Und beide, Herr A. und Herr B., setzen ihren Weg, wenn auch in verschiedene Richtungen, fort. Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen.

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Ein Stein

Ich bin ein Teil der Öffentlichkeit. Nicht nur, dass ich ein Teil davon bin, weil ich darin vorkomme, habe ich auch eine Funktion, eine Aufgabe. Was nicht jeder von sich behaupten kann, der in der Öffentlichkeit steht. Mein Zuhause befindet sich in einem Ferienpark mit FKK - Gelände. Zwischen einem Souvenirladen und einer Frittenbude habe ich mein Quartier bezogen. Manchmal weht der Duft von gegrillten Bratwürstchen zu mir herüber. Da läuft mir das Wasser im Mund zusammen, und am liebsten würde ich sofort loslaufen, zur Bude hin, zwei Euro fünfzig auf den Tresen knallen, und rufen 'Eine Bratwurst für sofort, und dunkelbraun muss sie sein'. Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer. Denn ich bin ein Stein. Und Steine bewegen sich in der Regel nicht von allein. Wie ich in diese Gegend gelangt bin, oder wer mich an diese Stelle gelegt hat, daran kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Bestimmt hat es damit zu tun, dass ich kein gewöhnlicher Stein bin. Nicht rund, sondern eher länglich, vielleicht anderthalb mal so groß wie eine Ottomane, mit einer unscheinbaren Vertiefung in der Mitte. Graumeliert, und mit silbrig glänzenden Punkten an den Seiten, bin ich so etwas wie ein Vorzeigestein. So betrachtet, nimmt es mich nicht wunder, dass sich die Leute unwiderstehlich zu mir hingezogen fühlen. Es ist nur zu verständlich, dass die meisten Besucher dem Bedürfnis erliegen, mich zu besteigen und sich auf mich zu setzen. Manche von denen haben Sitzfleisch für zwei, worunter meine Privatsphäre gerade in der Sommersaison leidet. So mancher würde aus dem Staunen nicht herauskommen, wenn ich erst einmal anfinge aus dem Nähkästchen zu plaudern. Das bezieht sich vornehmlich auf die Hinterteile von Menschen, die ich im Laufe der vielen Jahre ausgiebig studieren konnte. Ich schaute auf spitze, breite, flache, schmale Hinterteile, und ein Gutteil davon war noch nicht einmal angezogen! Der Allerwerteste eines Menschen ist nicht immer ein Aushängeschild, was in der Natur der Sache liegt. Daran ändert auch nichts der Blickwinkel, und es gibt vorübergehende Durststrecken, in denen der Schöpfer und Baumeister eines Hinterteils zwei linke Hände hat. Vor allem ist es aber das, was die Menschen in ihrer Freizeit so alles mit sich und anderen anstellen. Es heißt, dass jeder nach seiner eigenen Fasson selig werden soll. Da kommt zum Beispiel so ein Halbwüchsiger mit Dreitagebart und Zottelhaar anspaziert und pflanzt sich direkt auf meine Wade, die mir heute besonders wehtut. Eine Minute später erscheint eine elegant gekleidete Frau auf der Bildfläche – das kann nur die Frau Mutter sein, sage ich mir – und krabbelt auf meine andere Wade, als wäre sie eine hungrige Biene. Ich mache lange Ohren, denn eine Unterhaltung zwischen Familienangehörigen ist immer lehrreich. Sie tauschen Nettigkeiten aus, worin sie sich gegenseitig überbieten, und beide führen etwas im Schilde, das sagt mir mein sechster Sinn. Und was macht sie? Was er? Die beiden? Die Frau fingert an seinem Hosenschlitz herum, beugt sich hinunter, und…Da schlag einer lang hin! Ich bin bestimmt der einzige Stein weit und breit, der solch eine…leibhaftig mit eigenen Augen gesehen hat. Damit überspringe ich das Kapitel und komme zum nächsten. Eines Tages beobachte ich ein schwarzhaariges Dämchen, wie sie mit einer Flasche in ihrer Rechten über das Gelände stakst. Die muss gehörig einen intus haben, lautet mein Urteil. Dann schwenkt sie aus heiterem Himmel nach links, schleudert einer Diskuswerferin nicht unähnlich ihr Mobiltelefon in den Teich mit den Goldfischen, putzt ihr Näschen, und steuert wie ein Alligator direkt auf mich zu. Ehe ich bis fünf zählen kann, liegt sie der Länge nach ausgestreckt auf mir und weint sich die Augen rot. 'Du lieber Stein. Du bist mein einziger Freund auf der ganzen Welt', schluchzt sie mehrmals und drückt mir einen lauten Schmatz auf ungefähr die Stelle, wo sich mein Bauchnabel befindet. Das erweicht sogar einen Stein wie mich, denn ich habe, wie ich zugeben muss, so nahe am Wasser gebaut, dass es näher nicht mehr geht. Ich mache drei Kreuze, als das Dämchen in den Schlaf sinkt und ich mit meinen Gedanken hinterherhinke. Sie schläft den Schlaf des Gerechten und fängt nach einer Viertelstunde derart an zu schnarchen, dass ich nicht umhinkomme, mir Grasbüschel in meine Ohren zu stopfen, da ich augenblicklich nichts anderes zur Hand habe. Am nächsten Morgen wache ich mit Kopfschmerzen auf, und das Dämchen hat das Weite gesucht. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar. Als ich meinen Blick aufs Geratewohl schweifen lasse, meistens tue ich das nach dem Frühsport, gewahre ein Häuflein von Frauen und Männer, die finster dreinblicken, als hätte es ihnen die Petersilie verhagelt. Sie bilden einen großen Kreis, und ich bin sozusagen der Mittelpunkt in diesem Kreis. Und alle, so wie sie dastehen, haben Weidenruten mitgebracht. Ich verhalte mich mucksmäuschenstill, denn mir schwant, dass ich über kurz oder lang vom Regen in die Traufe komme. Da sagt der Anführer 'Wenn ihr dann soweit seid. Und vergesst nicht, für jeden, der euch jemals im Leben wehgetan hat, einmal mit der Weidenrute auf diesen Stein zu schlagen. Und nur nicht zu zaghaft, wenn ich bitten darf'. Der Aufforderung folgt unverzüglich die Tat, und ausnahmslos alle Teilnehmer, die sich etwas von der Seele prügeln wollen, verausgaben sich bis zur völligen Ermattung, um sich auf meine Kosten Gerechtigkeit zu verschaffen. Dann gibt der Anführer ein Zeichen und sammelt die Weidenruten nach einer allgemeinen Belobigung ein. Die Frauen und Männer fallen sich quietschvergnügt um den Hals, und einer nach dem anderen tritt einen Schritt vor und klopft sich auf die Schulter. Das finde ich ein wenig exzentrisch. Trotz ihrer Flausen sind die Menschen, seitdem ich damit angefangen habe, sie vom Scheitel bis zur Sohle abzuklopfen, ganz passable Wesen, wenn man ihre Geduld nicht zu sehr auf die Probe stellt und ihnen nicht die Laune verdirbt. Wenigstens verhält es sich so nach meiner Meinung als Stein. Wie andere Steine darüber denken, weiß ich nicht. Ich habe gelernt, den Menschen gegenüber nachsichtig und gütig zu sein. Unter einer Bedingung, dass sie, wenn sie mich besuchen kommen, ja ihren Müll mitnehmen und keine Zigarettenstummel auf mir ausdrücken! Dann können die Menschen und ich sogar richtige Freunde werden. Denn schließlich ist mein Herz nicht aus Stein.


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Fotos (Projekt A)




Fotos (Projekt B)


Eine Auswahl an Fotos gibt es auch in Buchform (DINA 4, 17 S.). Bei  Interesse können Sie sich gern an mich wenden.

Einen weitaus größeren Teil meiner Fotos können Sie sich bei YouTube unter

www.youtube.com/watch?v=KrbIoznT8e8&t=622s

bzw. Stefan Rohde / Meine schönsten Fotos (Filmlänge knapp 22 Minuten) anschauen.


Hier noch zwei kleine musikalische Häppchen,

die ich vor längerer Zeit neben einigen anderen mit einem Sampler "komponiert" habe.



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